Literatur
fenstertag
beim wort fenstertag bekommt der österreicher glänzende augen
österreich ist das land der fenstertage. beim wort
fenstertag bekommt der österreicher glänzende
augen. durch die vielen feiertage entstehen nach einer
unergründlichen kalendarischen arithmetik
unzählige fenstertage. der fenstertag ist dem
österreicher heiliger als die heiligsten festtage. der
fenstertag ist ein günstling unerklärbarer prozesse,
seine legitimation liegt im zufall und vor allem, er wird
einem fast geschenkt. vermutlich ist der fenstertag
selbst ein österreicher. sollte es einmal einen
österreichischen papst geben – was nach einem
bayerischen gar nicht so utopisch ist – wird es seine
erste aufgabe sein, neue feiertage so zu legen, dass
möglichst viele fenstertage entstehen, und seis mit
hilfe neuer habsburgischer heiliger. ein ideal wäre ein
jahr mit rund zweihundert feiertagen und hundert
fenstertagen. der rest fiele auf sonntage. die
schätzung müsste ein versicherungsmathematiker
überprüfen. ein solches jahr könnte man dann zum
heiligen jahr an sich erklären, was vermutlich sogar
von den österreichischen atheisten akzeptiert
werden würde. wahrscheinlich hätte auch unser
laizistischer staat keine probleme damit. schließlich
ist ja der fenstertag ein österreicher. (Friedrich Achleitner/DER STANDARD, Printausgabe, 21./22.10.2006)