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Michael Schumacher wird in São Paulo ein letztes Mal angeschraubt. Da Fernando Alonso zehn Punkte Vorsprung hat, wird Schumi wohl als siebenfacher Weltmeister enden.

Foto: APA/ Breloer
STANDARD: Wird Ihnen Michael Schumacher fehlen? Überkommt Sie Wehmut? Prüller: Im Sport ist immer ein bisserl Wehmut dabei. Ich habe 249 Rennen von ihm miterlebt, er war ein Teil meines Lebens. Die Leute mögen Superstars. Schumacher hat das perfektioniert, was Niki Lauda und Ayrton Senna begonnen haben. Er wird jedem fehlen, dem die Formel 1 ein Anliegen ist. Andererseits sind neue Gesichter und Typen fürs Geschäft wichtig, das ist der Lauf der Zeit. Es geht immer weiter.

STANDARD: Wie ist Ihre erste persönliche Begegnung mit Schumacher abgelaufen?
Prüller: Das war 1991. Ich durfte für Mercedes eine Gala am Nürburgring moderieren und wurde gebeten, mit Schumacher auf der Bühne ein paar Worte zu wechseln. Er fuhr damals noch Sportwagen und hatte gerade einen schweren Unfall im Training überstanden. Ich dachte mir, um Gottes Willen, was frage ich den armen Buam. Er war total cool, an dem ist alles abgeprallt.

STANDARD: Wie ging die Beziehung weiter?
Prüller: Ich hab ihn dann immer wieder beim Willi Dungl in Gars getroffen. Er hat sehr gerne und lieb mit meinem Hund Grimaldi gespielt.

STANDARD: Andere bleibende Eindrücke?
Prüller: Er ist egoistisch und konsequent. Ein Extremist, ein Perfektionist. Das hat einigen Leuten nicht gepasst. Ich empfand das aber eher als Härte, nicht als Kälte. Zu mir war er immer sehr kooperativ, er steckte mir einige exklusive Geschichten. Er ist aber auch unberechenbar. Einmal wollte ich von ihm eine Widmung für unseren Regisseur Fritz Melchert haben. Es war an einem Donnerstag, er lehnte an der Box und sagte, er hätte jetzt wirklich keine Zeit, er muss bald die Strecke mit dem Fahrrad abfahren.

STANDARD: Wie haben Sie dar-auf reagiert?
Prüller: Ich habe mich gewundert und den Kopf geschüttelt. Ein anderes Mal habe ich ihm zu irgendeinem Anlass ein Buch über die Spanische Hofreitschule geschenkt. Seine Frau interessiert sich ja für Pferde. Zwei Jahre später ist er auf mich zugestürmt, sagte, wie toll das Buch ist, da haben ja alle Bereiter unterschrieben. Er hat sich gefreut wie ein Kind. Dabei könnte er sich die gesamte Hofreitschule locker kaufen. Und dann war ich mit ihm einmal in der Schweiz essen. Er legte nach dem ersten Gang die Gabel mit den Zinken nach unten auf den Tisch. Ich fragte, warum, das ist unüblich. Er antwortete, damit das Tischtuch nicht so schmutzig wird. Wahrscheinlich hat er Recht, die Dummen sind wir, die seit hunderten Jahren die Gabel mit den Zinken nach oben ablegen.

STANDARD: Schumacher gilt ja nicht unbedingt als sympathischer Kerl, selbst sein jüngerer Bruder Ralf scheint ihn nicht wirklich zu mögen.
Prüller: Wer Erfolg hat, der hat Neider. Früher bei Benetton wurden einige Gesetze gebrochen. Oft wissen das die Fahrer gar nicht. Sein Hirn ist anders programmiert, er tickt anders. Der hat keine Angst. Sein Unterbewusstsein sagt ihm, ich fahre dem Villeneuve ins Auto. Das will er vielleicht gar nicht. Was er nicht kann, ist Fehler zugeben.

STANDARD: Eignet sich Schumacher zum Helden?
Prüller: Der Begriff hat sich gewandelt. Vor 30 Jahren waren die Fahrer froh, überlebt zu haben. Nach einem Rennen konnten sie tagelang nichts angreifen, weil die Hände blutig waren. Jetzt hat man Servolenkungen und kann im Auto alles verstellen. Schumacher gehört der Computergeneration an. Keiner hat das Klavierspielen je so beherrscht wie er. Er kann im Auto tatsächlich Wunderdinge vollbringen.

STANDARD: Wenn Schumacher nicht als Held in die Geschichte der Formel 1 eingeht, als was dann?
Prüller: Er wird der bleiben, der am meisten gewonnen hat. Schumacher hat durch seine Kraft, Jugend, Motivation und durch sein Hirn alle demoliert. Ich würde sogar weitergehen. Ein Lauda hat in seinem Hirn die Gegner seziert. Schumacher hat zwei Gehirne. Das eine fürs Auto, das andere für die Strategie.

STANDARD: Er hört nach 250 Grands Prix auf. Sie haben schon mehr als 600 kommentiert. Wann tritt eigentlich Heinz Prüller ab?
Prüller: Erst dann, wenn mich die Fans und auch der ORF nicht mehr wollen. Übrigens glaube ich, dass Schumacher in spätestens zwei Jahren ein Comeback gibt - weil ihm fad werden wird. (DER STANDARD, Printausgabe, Freitag, 20. Oktober 2006, Christian Hackl)

ZUR PERSON: Heinz Prüller, geboren am 30. April 1941 in Wien, schrieb ungefähr 70 Bücher über die Formel 1. Er ist seit 1971 für die "Kronen Zeitung" tätig und kommentiert eigentlich seit immer schon für den ORF die Rennen. Er brachte es auch auf 1000 Ski-Übertragungen und berichtete von 23 Olympischen Spielen.