Klimawahnsinn: Städte würden überflutet, Trinkwasserreserven noch knapper, darum bewaffnete Konflikte ausbrechen. Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb skizzierte bei den Sicherheitstagen ein düsteres Zukunftsbild.

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Leogang - Ein Horrorszenario der Auswirkungen des Klimawandels zeichnete die Wiener Klimaforscherin und Wissenschafterin des Jahres, Helga Kromp-Kolb, bei den Österreichischen Sicherheitstagen in Leogang im Pinzgau.

Als Folge des Abschmelzens der Polkappen werde der Meeresspiegel ansteigen - um bis zu vier Meter. Doch schon bei einem Anstieg um lediglich einen Meter würden im Nildelta beispielsweise Städte wie Alexandria und Port Said aufhören zu existieren. Die Folge: Die Migration werde noch wesentlich zunehmen, wenn die Menschen in betroffenen Gebieten ihre Siedlungen aufgeben müssen, sagte die Forscherin. Es werde zu einer neuen "Völkerwanderung" kommen.

Zudem werde der Klimawandel dafür sorgen, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter aufgehe. Der Kampf um Ressourcen wie beispielsweise Wasser werde härter, es werde zu bewaffneten Konflikten kommen. Von Trockenheit werde auch Europa betroffen sein, in manchen Gegenden des Südens herrsche jetzt bereits akuter Wassermangel.

Wasser im Alpenraum

Doch auch Österreich sei keine Insel der Seligen: Neben einer Zunahme von Extremereignissen werde auch im Alpenraum das Wasser knapper werden, prognostizierte die Klimaforscherin. Ursache sei das Abschmelzen der Gletscher, deren dramatischer Rückgang bereits jetzt zu beobachten sei. Ein völliges Verschwinden des ewigen Eises sei durchaus wahrscheinlich.

Bis zum Jahr 2100 sagte Kromp-Kolb für Österreich einen Temperaturanstieg um vier Grad und mehr voraus. Zudem sei in allen Höhenlagen eine Zunahme der Hitzetage - solche mit mehr als 30 Grad Celsius - auf das Doppelte bis Dreifache zu erwarten. Für die Menschen und die Landwirtschaft bedeute das heißere und trockenere Sommer sowie Winter mit regional sogar mehr Niederschlägen als derzeit - allerdings in Form von Regen. All das werde auch für den Tourismus massive Auswirkungen haben.

Als wäre das noch nicht genug, hatte Kromp-Kolb eine weitere Hiobsbotschaft parat: "Der Klimawandel ist nicht mehr zu verhindern, wir sind mitten drin." Allenfalls ließen sich die Auswirkungen mindern. Allein: "Die Reaktion der Menschheit steht in keinem Verhältnis zur Bedrohung", konstatierte Kromp-Kolb. Man verweigere sich dem Problem und betreibe durch Wortschöpfungen wie "Wetterkapriolen" Euphemismus, indem man Extremereignisse - deren häufigeres Auftreten statistisch eindeutig mit dem Klimawandel in Verbindung zu bringen ist - als etwas Zufälliges darstelle. Diese Tendenz zur Verweigerung müsse erkannt werden. "Information allein bewirkt keine Veränderung", sagte Kromp-Kolb. Es gehe vielmehr darum, emotionale Reaktion zu fördern und eine "Kultur des sichtbaren und direkten Engagements zu entwickeln". (APA, red, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20.10.2006)