Wien - Die chinesische Botschaft in Wien veranstaltet vom 20. bis 29. Oktober gemeinsam mit Stellen in der Volksrepublik und Österreich eine "Tibetische Kulturwoche Chinas". Die Kulturwoche wird von Exil-Tibetern entschieden abgelehnt. Botschafter Lu Yonghua wies am Donnerstag bei einer Pressekonferenz die Kritik von Menschenrechtsorganisationen und des Dalai Lama zurück, wonach die kulturelle Identität der Tibeter beispielsweise durch die massive Ansiedlung von Han-Chinesen zerstört werde. Dem Exil-Oberhaupt der Tibeter sprach Lu als ehemaligem "Sklavenhalter" das Recht ab, über Menschenrechte zu sprechen.

Schauplätze der Kulturwoche mit Tanz- und Gesangsveranstaltungen sowie Ausstellungen sind neben Wien auch Linz und Salzburg. Unter anderem tritt ein 1972 gegründetes Ensemble mit dem Stück "Wunderbare Heimat" in den drei Städten auf. Am kommenden Montag (23. Oktober) wird im Wiener Museumsquartier eine Foto- und Seidenmalereiausstellung eröffnet (von 24. bis 29. Oktober täglich von 09.30 bis 18.00 Uhr, freier Eintritt). Zudem wird ein Tibetologen-Symposium abgehalten.

"Weiterentwicklung"

Bis zum Einmarsch der chinesischen Truppen in Tibet 1950/51 habe dort "Sklavenhalterei" geherrscht, so der Botschafter. "Es ist schon eine Frage der Perspektive." Aus der Sicht der früheren Sklavenhalter könne man heute vielleicht über eine Verschlechterung auf dem "Dach der Welt" sprechen.

Von Seiten chinesischer Funktionäre wurde auf der Pressekonferenz die "Weiterentwicklung" der tibetischen Kultur betont. "Wir legen großen Wert auf den Erhalt und die Weiterentwicklung der Kultur", sagte etwa Li Guangwen, Vizepräsident der Gesellschaft des Autonomen Gebiets Tibet für Kulturaustausch mit dem Ausland. Li sprach von einer "nie da gewesenen Blütezeit".

Auch Wang Pijun, bei der Zentralregierung in Peking für den Kulturaustausch mit dem Ausland zuständig, sprach sich für die "Weiterentwicklung" der tibetischen Kultur aus und stellte die Frage: "Ist es Kultur für eine Minderheit oder soll es Kultur sein für viele, viele Menschen?" Er verwies auf zweisprachige Ortskennzeichnungen und in Bezug auf den tibetischen Buddhismus auf die "Weihrauchstäbchen", die brennen würden, und Mönche die überall ihren Glauben praktizierten. Wer Tibet kenne, wisse das. Im Ausland politisch Tätige aus Tibet trachteten danach, tibetische kulturelle Darbietungen im Ausland zu verhindern, beklagte Wang.

Der Tibetologe Basangluobu sagte: "Ich kann die Kritik (der Menschenrechtler und des Dalai Lama) keineswegs nachvollziehen." Im Unterschied zum Exil-Oberhaupt, einem "Fremden", sei er Zeuge des Wandels in Tibet gewesen, sagte der Direktor des Justiz-Komitees des Ständigen Komitees des nationalen Volkskongresses von Tibet. "Im Vergleich zur Ära, als der Dalai Lama herrschte, sind die heutigen Leistungen viel großartiger als damals." Große Summen würden in die Kultur in der Autonomen Region gesteckt.

Botschafter Lu räumte ein, dass Kulturstätten in Tibet während der vor 30 Jahren zu Ende gegangenen zehnjährigen so genannten Kulturrevolution unter Mao Tse-tung (Zedong) "teilweise beschädigt" wurden. Zwischen 1966 und 1976 seien aber auch chinesische Kulturdenkmäler in Mitleidenschaft gezogen worden.

"Autonome Region"

Der schwer zugängliche buddhistische Klosterstaat Tibet war von 1720 bis 1912 chinesisches Protektorat und nach dem Ende des chinesischen Kaisertums faktisch selbstständig. 1950/51 marschierten chinesische kommunistische Truppen in Tibet ein. 1959 nach der Niederschlagung des Volksaufstands floh der 14. Dalai Lama Tenzin Gyatso mit über 100.000 Landsleuten über die Grenze nach Indien, wo er heute lebt. Am 1. September 1965 wurde die "Autonome Region Tibet" gegründet, deren Fläche wesentlich kleiner ist als die des alten Tibet, das große Teile der heutigen chinesischen Provinz Qinghai und den Westen der Provinz Sichuan umfasste.

Der 14. Dalai Lama hatte Peking schwerste Menschenrechtsverstöße in seiner Heimat vorgeworfen, unter anderem Zwangsabtreibungen und Zwangssterilisationen, sowie "kulturellen Völkermord" durch massiven Bevölkerungstransfer, doch stellte er sich gegen die Forderungen von Nationalisten nach voller Unabhängigkeit Tibets. (APA)