Der Stellenabbau beim insolventen Handy-Hersteller BenQ in Deutschland fällt noch dramatischer aus als befürchtet. Insolvenzverwalter Martin Prager verkündete am Donnerstag auf einer Belegschaftsversammlung mit dem sofortigen Aus für rund 1.950 der gut 3.000 Arbeitsplätze eine neue Hiobsbotschaft für die Beschäftigten der ehemaligen Siemens-Handysparte. In den Bereichen Fertigung und Verwaltung müssen sogar drei Viertel aller Beschäftigten bis Montag ihren Arbeitsplatz räumen.

Fremdmarken

Den Rest der insgesamt rund 1.100 Stellen mit dem Schwerpunkt in Forschung und Entwicklung will Prager mit der Auftragsherstellung von Handys für Fremdmarken von Mobilfunknetzbetreibern und Modefirmen retten. Der radikale Umbau von BenQ sei "möglicherweise die letzte Chance für dieses Unternehmen", sagte der Insolvenzverwalter. Die Entwicklung von Technik und Design für Handys von Fremdauftraggebern sei das vielversprechendste Geschäftsmodell. "Wir haben bereits positive Reaktionen von Netzbetreibern und Modeunternehmen erhalten". Auch mit mehreren potenziellen Investoren gebe es positive Gespräche. Es gebe jedoch keine Garantie für einen Erfolg.

Prager machte indirekt das frühere Siemens-Management für die Pleite mitverantwortlich. BenQ sei von seinen Altlasten, dem Restrukturierungsaufwand und seiner komplexen Konzernstruktur erdrückt worden.

Hilfe

Politik und Gewerkschaften forderten vor allem den ehemaligen Mutterkonzern auf, den von der Arbeitslosigkeit bedrohten BenQ-Mitarbeitern zu helfen. Bayern und Nordrhein-Westfalen verlangten von Siemens, mehr Geld für eine Auffanggesellschaft zur Verfügung zu stellen.

Der Zweite Vorsitzende der IG Metall, Berthold Huber griff Siemens-Chef Klaus Kleinfeld scharf an: "Verantwortung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sieht anders aus, als das was uns derzeit von Siemens/BenQ zugemutet wird." Siemens müsse endlich zu Lösungen für die BenQ-Mitarbeiter beitragen: "Sonst verlieren sie auch noch ihren Rest an Glaubwürdigkeit", betonte Huber.

"Wir sind bisher die einzigen, die überhaupt einen substanziellen Beitrag geleistet haben"

Ein Siemens-Sprecher wies die Forderung nach einer Aufstockung der bereits in Aussicht gestellten Hilfsmittel von rund 35 Mio. Euro jedoch zurück: "Wir sind bisher die einzigen, die überhaupt einen substanziellen Beitrag geleistet haben, ohne rechtlich dazu verpflichtet zu sein." Nun sei es an den anderen Parteien, sich ebenfalls zu beteiligen.

Insolvenzverwalter Prager kündigte für Freitag neue Gespräche mit den betreffenden Länderministerien und der Bundesagentur für Arbeit über eine Auffanggesellschaft an. Ziel sei es, die betroffenen Mitarbeiter bis zu einem Jahr bei rund 80 Prozent ihres bisherigen Gehalts weiterzubeschäftigen und in neue Jobs zu vermitteln. Allerdings sei die Finanzierung noch ungesichert.

25 Millionen

Siemens habe 25 Mio. Euro für die Auffanggesellschaft und 10 Mio. Euro für einen Härtefonds angekündigt. Benötigt würden jedoch voraussichtlich über 100 Millionen Euro. Der taiwanische BenQ-Mutterkonzern, der die deutsche Handytochter Ende September durch einen Zahlungsstopp in die Insolvenz geschickt hatte, habe bislang noch gar keinen Beitrag in Aussicht gestellt. "Ich habe in Taipeh nur die Antwort erhalten, dass man dieses Thema wohlwollend prüft."

Offen sei weiterhin, ob Siemens die vereinbarten 170 Mio. Euro Restzahlung nach Taiwan oder an die deutsche BenQ überweisen müsse. Mehr Klarheit herrsche dagegen bei den Handy-Patenten: Der Großteil werde von der insolventen Gesellschaft zumindest mitgehalten. Er habe deshalb keine Hinweise, dass der taiwanische Konzern die ehemalige Siemens-Tochter "zielgerichtet ausgeplündert hat", sagte Prager.

Insolvenz

Die ehemalige Siemens-Handysparte, die seit vergangenem Jahr die deutsche Tochter des taiwanesischen BenQ-Konzerns ist, hatte vor rund drei Wochen Insolvenz angemeldet, nachdem die Konzernmutter ihr den Geldhahn zugedreht hatte. Spekulationen über eine mögliche "Ausplünderung" der deutschen Tochter von Seiten der taiwanesischen Mutter trat Prager entgegen. Weder die Patentsituation noch das sonstige Verhalten der BenQ Corporation deute bisher darauf hin.(APA/AP/dpa)