Es ist wie eine Zeitreise. Mit dem Raumschiff Enterprise, das wäre passend. So jedenfalls erscheint es einer wie mir. Von der Wiener Neubaugasse in Sekundenschnelle in eine andere Welt gebiemt. Nach der Landung – beim Betreten des Geschäfts – fühle ich mich tatsächlich vierzig Jahre zurück versetzt. Nicht nur das vielfältige Warenangebot stammt aus den 60er- und 70er-Jahren, sondern die gesamte Ausstattung ist im Stil durch gezogen. Perfekt. Farben, Formen, das vollständige Design ist hier Realität.

Foto: Yun Jae-Hun

Perfekt, um nicht zu sagen perfektionstisch, wie der Besitzer Oliver Schaffer selbst: Vom Scheitel bis zur Fußspitze auch er im 60s-Look durchgestylt, betont er gleich einleitend, dass in seinem Reich nicht pauschalisierend von der Ära der 60er- und 70er-Jahre gesprochen werden könne, sondern haarscharf zu differenzieren sei.

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Denn "die wirklich coolen Sixties, die ihren Höhepunkt in der Verschmelzung von Psychedelic und Op-Art hatten, das war spätestens '68 / '69 vorbei". Nur diese Phase interessiere ihn, genauso wie Rokoko und Jugendstil, "das waren revolutionäre Abschnitte und die sind mit einander vergleichbar". Dementsprechend liegt der Schwerpunkt seines Angebots eindeutig in den späten Sixties, von einigen Ausnahmen bis zum Jahr 1973 abgesehen.

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Und die 70er-Jahre? "Die hasse ich", sagt er. "Wirklich schlimm an den 70ern finde ich, dass sie die 60er-Mode zerstört und zu Hippie-Hippie verstärkt haben", meint Oliver Schaffer beinahe ärgerlich. Ergebnis wäre eine extrem vermarktete "Clownmode" gewesen.
Seine Begeisterung für diese kurze Ära sei schon in seiner frühen Jugend erwacht, erzählt der 1973 Geborene. "So mit 12 / 13 hab' ich begonnen, mich damit zu befassen. Mit 15 war's dann klar, dass das mein Weg ist".

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Ein Weg, der noch gedauert hat, denn das Geschäft in der unteren Neubaugasse, Ecke Neustiftgasse wurde erst 1999 eröffnet. Davor erfolgten noch einige berufliche Zwischenstationen. "Ich hab' viel herum gejobbt", sagt er, "auch im Altwarenhandel, das hat mir am besten gefallen". Zu dieser Zeit hat er auch den Grundstein für seine private Sammlung gelegt.

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Bis die Entscheidung für einen eigenen Shop gefallen ist. Zuerst wollte er es im Ausland - in London oder San Francisco - probieren. "Aber da hätte ich die umfangreiche Sammlung mitnehmen müssen", was ihm dann doch zu aufwendig war und so habe er sich entschlossen, "im vertrauten Inland zu starten" und erst einmal Erfahrungen zu sammeln.

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Den Großteil seiner Waren, oft die letzten Original-Einzelstücke aus den Sixties, über 1.500 Kleider, Blusen, Hemden, Mäntel und Jacken mit Löffelkragen, Gogo-Boots, Taschen u.v.m. sowie auch verschiedenste Kleinmöbel, bezieht Oliver Schaffer sowieso aus England, Frankreich und den USA, denn in Österreich "ist fast alles ausgeklaubt, hier wird es von Jahr zu Jahr schwieriger".

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Während man vor zwanzig Jahren noch auf heimischen Flohmärkten fündig geworden ist, gelten jetzt nur mehr die USA als unerschöpflich. Hier gebe es noch Geschäfte mit riesigen Lagerbeständen. Wenn der Geschäftsmann nicht selbst auf Schmankerlsuche geht, was er aufgrund seiner alleinigen Betreibung des Ladens nur zwei Mal im Jahr schafft, kaufen FreundInnen für ihn im Ausland ein.

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Über einen Mangel an KundInnen kann Schaffer trotz der nicht gerade exponierten Geschäftslage nicht klagen. Der Shop, in der Mode- und Sammlerszene mittlerweile als Geheimtipp positioniert, lebt einerseits von Mundpropaganda – auch TouristInnen kommen auf Empfehlung, erzählt er – und andererseits durch Berichte in internationalen Magazinen.

Foto: Yun Jae-Hun

Kein Wunder, findet man/frau im Carnaby doch noch richtige Raritäten von DesignerInnen wie beispielsweise Mary Quant, Rudi Gernreich, Paco Rabanne, Joe Colombo u.a., die natürlich ihren Preis haben. Da kann schon mal ein Teil um die 1000 Euro kosten. Doch jenseits dieser Ausnahmen sind die Waren durchaus erschwinglich.

Foto: Yun Jae-Hun

Von einem Euro für Krimskrams in Wühlkisten - "für Laufkundschaft, die ein lustiges Geschenk sucht", so Oliver Schaffer – bis zu etwa 70 Euro für Kleider, Mäntel und Jacken reicht der preisliche Bogen. Blusen, Hemden, Röcke und Hosen sind schon ab 15 Euro zu haben, Schuhe ab 25 Euro. Wobei nicht alles käuflich erwerbbar ist. Dafür werden besonders ausgefallene Stücke gerne für professionelle Foto- und Filmaufnahmen verliehen.

Foto: Yun Jae-Hun

CARNABY
Original 60s Clothes & Design
Neubaugasse 78
A-1070 Wien
Tel.: ++43 67 67 67 68 69
www.carnaby.at

Öffnungszeiten
Mo - Fr 11:00 - 19:00

Text: Dagmar Buchta
Fotos: Yun Jae-Hun

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