Wien - Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (V) ist nach seiner Niederlage bei der Nationalratswahl als möglicher künftiger EU-Außenminister im Gespräch. Dies berichtet die Tageszeitung "Kurier" (Donnerstagsausgabe) unter Berufung auf nicht näher bestimmte Spekulationen in der Hauptstadt des künftigen EU-Ratsvorsitzlandes Deutschland. Der jetzige EU-Außenpolitik-Beauftragte Javier Solana sei aus Gesundheitsgründen amtsmüde, und deswegen werde nach einem Nachfolger für ihn gesucht. Favorit sei der slowakische Ex-Premier Mikulas Dzurinda, der sich jedoch ziere. Daher könnte die Wahl auf Schüssel fallen.

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel soll nach einem langen Telefonat mit Solana ihrer Umgebung angedeutet haben, dass der Spanier nun dem Rat des Arztes folgen wolle, "sonst sei er in zwölf Monaten tot", schreibt die Zeitung. Kommissionspräsident José Manuel Barroso soll in die Personalie eingebunden sein, unter anderem durch seinen Besuch vergangene Woche im Kanzleramt. Barroso und Merkel wird ein gutes Verhältnis zu Schüssel attestiert.

Favorit Dzurinda

Merkel wolle während des deutschen Ratsvorsitzes den in der auf Eis liegenden EU-Verfassung vorgesehenen EU-Außenminister formell installieren, so der "Kurier". Ihre Juristen machten ihr Hoffnung, dass dies ohne Ratifikation - und damit mit Volksabstimmungen in einigen EU-Staaten - möglich sei. Merkels Favorit sei Dzurinda, für den sein hohes Ansehen in den USA wegen der NATO-Mitgliedschaft seines Landes spreche. Dzurinda ziere sich jedoch, weil er mit einer Rückkehr in das Amt des slowakischen Regierungschefs rechne oder nicht an das Amt des EU-Außenministers glaube.

Diese könnte nach Informationen des "Kurier" die Chance Schüssels sein. Als konservativer Ex-Regierungschef sei sein Status für das Amt adäquat, die fehlende NATO-Mitgliedschaft Österreichs "kein echtes Hindernis" und der Widerstand von Frankreichs Präsident Jacques Chirac "mit einem symbolischen Kniefall im Elysée-Palast überwindbar". Schüssel müsste aber seine Ambitionen am Donnerstag beim EU-Gipfel im finnischen Lahti den anderen Staats- und Regierungschefs kundtun, so das "forsche Denkspiel in Berlin".

Im Kanzleramt in Wien hieß es laut "Kurier", dass es "keine Signale oder Indizien für Aktivitäten auf europäischer Ebene" gäbe. Vom "Kurier" in Brüssel befragte EU-Politiker zeigten sich skeptisch zum möglichen Karrieresprung des ÖVP-Chefs. SPÖ-Europarlamentarier Hannes Swoboda sagte, das werde "nicht so leicht sein". Zunächst seien ihm die Rücktrittswünsche Solanas nicht bekannt. Außerdem sei Österreich kein NATO-Mitglied, die EU arbeite aber sehr eng mit der Allianz zusammen. Im EU-Rat heiße es zur angeblichen Erkrankung Solanas, man habe davon noch nichts bemerkt. Schließlich jogge er täglich eine Stunde lang mit seinen Bodyguards, sagte der Generaldirektor des Rates. Solanas Sprecherin meinte lediglich, dass das Mandat des EU-Außenbeauftragten im Oktober 2009 ende. In Kreisen der Europäischen Volkspartei (EVP) hieß es, die Gerüchte über einen Wechsel Schüssels nach Brüssel "entbehren jeglicher Grundlage". (APA)