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Foto: APA/ROLAND SCHLAGER
Standard: Welche Erwartungen haben Sie hinsichtlich der Regierungsbildung?

Ederer: Ich kann nur sagen, was für das Unternehmen und die gesamt Wirtschaftspolitik in diesem Land gescheit und von Vorteil wäre: eine belastbare Struktur, die in der EU nicht nur anerkannt wird, sondern auch eine gestaltende Rolle spielt.

Standard: Das kann dann nur eine große Koalition sein.

Ederer: So ist es.

Standard: Was müsste eine neue Regierung im Wirtschaftsbereich in Angriff nehmen?

Ederer: Ich glaube, dass Forschung und Entwicklung ein Thema ist. Die große Koalition hat deshalb einen schlechten Ruf, weil die Gefahr besteht, dass das Paralysieren der beiden Interessen so stark ist. Es könnte aber das genaue Gegenteil sein. Dass man große Reformen gemeinsam durchträgt. Ich glaube, dass in diesem Bereich einiges ansteht.

Standard: Konkret?

Ederer: Gesundheit und Bildung. Dass man IT nützt, um Effizienz im Gesundheitsbereich hineinzubringen. Die wirklichen Verhinderer sind die Ärzte. IT in Krankenhäusern heißt Standardisierung von Abläufen. 70, 80 Prozent der Fälle sind zu standardisieren. Da könnte man zehn, fünfzehn Prozent einsparen, ohne dass man eine Leistung zurücknimmt. Da ist irrsinnig viel zu tun. Da wäre ein großer Entwurf notwendig.

Standard: Was halten Sie von Studiengebühren?

Ederer: Ich war eine Begünstigte, dass es keine Studiengebühren gegeben hat. Ich verstehe, dass es verteilungspolitische Argumente gibt, warum man Studiengebühren nach wie vor fordert. Wenn es einen Gesamtwurf geben sollte, ist die Symbolik ein Thema. Dann stellt sich die Frage, ob es nicht aus diesem Grund fallen sollte.

Standard: In der SPÖ gibt es Kritik an der Gruppenbesteuerung. Fürchten Sie da Veränderungen?

Ederer: Ich kann es nur für das Unternehmen beantworten. Für uns ist das von Vorteil und ich gehe davon aus, dass auch für andere international tätigen Unternehmen, Verluste von Auslandstöchtern geltend zu machen, wichtig ist. Das ist natürlich von Vorteil, um hier Holdingstandorte zu gründen.

Standard: Österreichs Unternehmen erzielen Rekorderlöse in Osteuropa. Warum ist die Bevölkerung so skeptisch?

Ederer: Das ist ein Rätsel. Weil die FPÖ bei diesen Fragen ein großes Sprachrohr hat, das mit einem großen österreichischen Medium zu tun hat.

Standard: Kann man beziffern, wie stark Siemens in Österreich von der Ostöffnung profitiert?

Ederer: Wir haben alleine eine Milliarde an Zahlen, weil wir für sieben Länder zuständig sind. Ich würde sagen, um die 500 Beschäftigten am Standort Österreich, die man als Know-how-Träger beschäftigt und die sonst aus dem einen oder anderen Grund infrage gestellt worden wären.

Standard: Sind Schwierigkeiten aufgrund vonTeilverkäufen in der Kommunikationssparte des konzerneigenen Softwarehauses PSE ausgeräumt?

Ederer: Nein, noch nicht ganz. Ich verstehe die Schwierigkeiten nicht ganz. Der Konzern hat sich entschlossen, sich von der Telefonie zu trennen. Das ist eine Konzernentscheidung, das hat mit Österreich nichts zu tun. Teil der Telefonie sind Telefonanlagen. Für den Teil haben zweihundert österreichische Softwareentwickler gearbeitet. Wir haben gesagt, wenn das ausgegliedert wird, um das Unternehmen lebensfähig zu machen, geben wir ihnen die Entwickler mit. Die haben keine Veränderungen ihrer Kollektivverträge, nur dass sie formal zur neuen Gesellschaft gehören, führt zu heftigen Irritationen des Betriebsrats und der Belegschaft.

Standard: Ist die Streikdrohung noch immer aufrecht?

Ederer: Ja, ich sehe in der Frage keinen Handlungsbedarf. Ich sehe nicht, wofür die streiken. Denn die Ausgliederung oder der Verkauf des Portfolios ist nicht unser Thema sondern das des Konzerns. Mir ist das Ziel des Streiks nicht ganz klar. Es gibt demnächst Gespräche, aber die Sache kann und will ich nicht ändern. Man muss schon die Kirche im Dorf lassen, es wurden in anderen Bereichen Restrukturierungen vorgenommen. Es wurden 250 Leute bei der Gebäudetechnik abgebaut, ohne dass sich jemand aufgeregt hat. Deshalb ist schon überraschend, dass Menschen, die den Arbeitsplatz nicht verlieren, keine Schlechterstellung haben, letztendlich streiken wollen und die Gewerkschaft Ja dazu sagt. (DERSTANDARD Printausgabe, 18. Oktober 2006)