Die Ausgangssituation der beiden Protagonisten Mark (Daniel London) und Kurt (gespielt vom Country/Folk-Kauz Will Oldham) ist unterschiedlich. Mark, verschlossener, schweigsamer, aber auch in sich ruhender als sein Freund, wird bald Vater. Die Szenen mit seiner Freundin, die dem Trip ins Grüne vorausgehen, verraten einerseits genug über ihn, um ein Unbehagen zu erahnen - und doch zu wenig, um es greifbar zu machen. Kurt ist eindeutig ruheloser. Etwas nagt an ihm. Er habe sich noch nie auf etwas festgelegt, aus dem es nicht auch noch einen Ausweg gebe, wird er später zu Mark sagen.
Die Erzählstruktur von Old Joy könnte kaum entschlackter sein. Der Film hat den Geist eines Road-Movies, aber dessen Versprechen einer imaginären Freiheit fehlt ihm ganz. Der Weg ist hier nicht das Ziel, sondern eine heiße Quelle im Wald, nicht weit von Portland, Oregon, gelegen, wo die beiden leben. Während am Seitenfenster die austauschbaren Gebäude der Vorstadt vorbei ziehen und langsam von Bäumen abgelöst werden, plaudert man über den Stand der Dinge. Über einen Plattenladen etwa, den es seit Kurzem nicht mehr gibt: "End of an era", lautet der lakonische Kommentar.
Reichardt forciert keine Pointen, das unterscheidet den Film von einem vergleichbaren Buddy-Movie wie Sideways; es warten auch keine gewaltbereiten Hinterwäldler im Wald wie in John Boormans Deliverance. Old Joy ist viel eher ein Film über ein unbestimmbares Gefühl des Verlusts, über die Unendlichkeit, die der Schwermut zu eigen ist. Am Lagerfeuer in der Nacht - die Flammen züngeln aus dem unteren Bildrand hervor - gesteht Kurt Mark, wie sehr er ihn vermisst. Seine Theorie, dass das Universum einem fallenden Tropfen gleiche, ist ein schönes Bild für die Vergänglichkeit aller Dinge.
Augenblick der Freude