Am Dienstag um 13.46 Uhr (MESZ) durchbrach die Einwohnerzahl der USA die Marke von 300 Millionen - so jedenfalls hat es das Nationale Statistikamt hochgerechnet. Alle elf Sekunden wächst die Bevölkerung des drittgrößten Staates der Welt um einen Amerikaner, das ist aufs Jahr gerechnet ein Anstieg von rund 2,8 Millionen. Während sich Europa wegen niedriger Geburtenraten auf demografische Umwälzungen vorbereiten muss, erhöhten die USA in nur 39 Jahren ihre Bevölkerungszahl von 200 auf 300 Millionen.

Umweltschützer sehen die Entwicklung mit Sorge, denn immer mehr Amerikaner verbrauchen auch immer mehr Energie und natürliche Ressourcen. Vor allem, weil sich das Wachstum nicht in gewachsenen Siedlungsgebieten vollzieht, sondern die Ballungsräume immer weiter ausufern und zersiedelt werden.

"Die USA sind ein Land von Vorstädten geworden", sagt die Direktorin des Zentrums für Umwelt und Bevölkerung, Vicky Markham. Die Zersiedelung erfordere mehr Kraftfahrzeuge und mehr Fahrten.

"Das Muster des Bevölkerungswachstums ist wirklich das größte Problem", bestätigt Michael Replogle von der New Yorker Organisation Umweltverteidigung. Zwar sind die USA noch immer ein vergleichsweise dünn besiedeltes Land: Auf einer Quadratmeile (2,6 Quadratkilometer) leben 84 Menschen, in der EU sind es 300 und in Japan fast 900. Aber mehr als die Hälfte der US-Amerikaner leben in küstennahen Gebieten. Und viele ziehen aus den Metropolen in die Vorstädte oder sogar noch weiter ins Land hinein.

Urbaner Dschungel

Die derzeit am schnellsten wachsende Stadt ist das in Kalifornien gelegene Elk Grove, ein Vorort von Sacramento. Der Ballungsraum mit den größten Zuwachsraten ist Riverside, obwohl er 80 Kilometer von Los Angeles entfernt liegt.

"Die Menschen in New York neigen dazu, ihre Stadt als urbanen Dschungel zu sehen, doch die Umweltbelastungen je Einwohner sind recht gering", sagt der Wissenschafter Carlos Restrepo von der Universität New York - geringer jedenfalls als die eines Amerikaners, der in einem großen Vorstadthaus wohnt und mehr als ein Auto braucht.

Und so ist die Bevölkerungszahl seit 1967 zwar um die Hälfte gestiegen. Die Zahl der Fahrzeuge hat sich jedoch im gleichen Zeitraum mehr als verdoppelt, die der gefahrenen Kilometer gar verdreifacht. Zudem gibt es heute in den USA fast doppelt so viele Haushalte wie vor 39 Jahren, durchschnittlich leben nur noch 2,6 Amerikaner in jedem Haushalt (1967 waren es noch 3,3) und die Zahl der Single-Haushalte stieg von knapp 16 auf 27 Prozent.

Konsum als Problem

"Wir heizen und kühlen mehr Raum, und die Wohnanlagen sind so verstreut wie nie zuvor", sagt Replogle. Und der Demograf William Frey von Brooking Institutions meint: "Es ist nicht die Bevölkerung, sondern der Konsum, der uns reinreißt."

Die Einwanderung, legale und illegale, trägt zu 40 Prozent zum Bevölkerungswachstum bei. Der 300-millionste Amerikaner könnte übrigens schon lange geboren sein, denn das Statistikamt geht in seinen Berechnungen von elf bis zwölf Millionen Menschen aus, die illegal in den USA leben. Viele Demografen halten diese Zahl jedoch für untertrieben. (Stephen Ohlemacher/AP/D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 17.10. 2006)