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Eine kongolesische Frau mit ihrem Wahlschein. Die Verhältnisse im Kongo zeigen, wie schwierig es ist, menschliche Sicherheit herzustellen. Allein die Überwachung von Wahlen genügt dafür nicht.

Foto: EPA/Morrison
Sicherheit und Entwicklung sind kommunizierende Gefäße. Ohne das eine ist das andere nicht zu haben - für die armen und ärmsten Staaten wie für die wohlhabende Welt. Denn diese muss Sicherheit auch aus den Entwicklungsstaaten importieren.

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Wien - Der unberechenbare Nordkoreaner Kim Jong Il ist eine Bedrohung für die globale Sicherheit. Das ist richtig. Osama Bin Ladens Terrornetzwerk ist eine Bedrohung für die globale Sicherheit. Auch das trifft zu. - Aber mindestens genauso bedrohlich für die Welt sind Hunger, Armut und mangelnde Entwicklungschancen für die Menschen in den armen und ärmsten Staaten der Erde.

Seit Mitte der 1990er-Jahre arbeiten die Vereinten Nationen deswegen mit dem Begriff der "menschlichen Sicherheit" (siehe Wissen). Viele UN-Organisationen legen das Konzept ihren Aktivitäten zugrunde und produzieren damit Entwicklung und Sicherheit - in den armen wie wohlhabenden Ländern.

Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 aber verläuft die öffentliche Debatte um den Begriff Sicherheit weniger in entwicklungspolitischen, sondern fast nur noch in sicherheitspolitischen Termini. Das Augenmerk liegt nicht mehr auf menschlicher Sicherheit. Führende Staaten der entwickelten Welt treten vor allem als eine Art Sicherheitsexporteure - in Afghanistan etwa oder vorgeblich auch im Irak - auf. Dass sie natürlich auch große Sicherheitsimporteure sind, fällt in der öffentlichen Wahrnehmung nicht weiter auf.

Einmal ganz abgesehen vom Gebot der Fairness gegenüber den Mitmenschen in den Entwicklungsländern aber, ist es für die reichen Staaten auch ein gutes Geschäft, die "Handelsbilanz" in Sachen Sicherheit zumindest ausgeglichen zu halten. Anders gesagt: Finden die Menschen auch in unterentwickelten Ländern ein würdiges Auskommen, werden sich weniger Flüchtlingsdramen vor den Kanaren, Lampedusa oder an den Zäunen von Ceuta und Melilla abspielen. Haben die Menschen die Möglichkeit, ihre politischen Meinungen kundzutun, ohne mörderische Despoten fürchten zu müssen, gibt es für sie keinen Grund, den Migrationsdruck auf die freie Welt zu verstärken. Wer Sicherheit auch importieren muss, hat also dafür zu sorgen, dass schwächere Staaten Sicherheit produzieren können.

Die Republik Österreich tut dies bilateral in Schwerpunkt- und Partnerländern (siehe Grafik): In Äthiopien zum Beispiel geht es um Nahrungs- und Gesundheitssicherheit, ohne die das Land wegen seines hohen Bevölkerungswachstums keine Chance auf nachhaltige Entwicklung hat. Oder Bhutan: Dort fördert Österreich Wasserkraftwerke und Projekte zur Entwicklung sanften Tourismus, um den Menschen in dem kleinen Himalaya-Königreich eine Lebensgrundlage zu schaffen.

EU als größter Geber

Die EU indes ist im Bereich des so genannten multilateralen Entwicklungszusammenarbeit der größte Geberblock. In den kommenden sechs Jahren sind mehr als zwei Dutzend Milliarden Euro dafür budgetiert. Vergeben wird das Geld unter anderen nach demokratiepolitischen Kriterien, nach Aspekten guter Regierungsführung oder dem Schutz der Menschenrechte. Im Kongo griff die EU auch militärisch ein. Die Eufor-Militärmission hat die Präsidentenwahlen im Sommer überwacht und soll auch die Stichwahlen Ende Oktober sichern.

Dort zeigen sich auch die Grenzen der europäischen Bemühungen, die Situation ist weiterhin sehr labil. Was nach der Stichwahl passieren wird, ist unklar. Die Privatarmeen Joseph Kabilas und Jean-Pierre Bembas belauern einander. Ein erneuter Konflikt ist möglich. Eine bloße Wahl also reicht nicht aus, um menschliche Sicherheit herzustellen.

Der Kongo gehört mit der sudanesischen Darfur-Region zu den Krisendrehscheiben in Afrika. Die Entwicklungen dort strahlen auf die gesamte Region aus. Rückschläge und Misserfolge in der Entwicklungszusammenarbeit - ob in Afrika oder anderswo - haben vor allem auch mit solchen schwelenden Krisen zu tun. Und sie zeigen: Ohne Sicherheit gibt es keine Entwicklung. Und umgekehrt.

Dieser Ansatz ist die einzige Chance der Menschen in den armen Ländern. Und wenn das auch die Menschen in den wohlhabenden Staaten als ihr eigenes Interesse sehen, dann besteht echte Aussicht auf Entwicklungserfolge. (Christoph Prantner/DER STANDARD, Printausgabe, 17.10.2006)