Wien - Wenn die Wiener Philharmoniker auf ihrer perennierenden Dauertournee nun auch wieder einmal in jener Stadt Station machen, deren Namen sie als Markenzeichen verwenden, ist der Ansturm auf ihre Darbietungen klarerweise sehr groß. Am Samstagnachmittag brauchte der Wiener Musikenthusiast im Großen Konzerthaussaal überdies auch noch beträchtliches Stehvermögen. Hatte man diesen doch nach dem Muster der Londoner "Proms" durch Entfernung der Sesselreihen in eine Stehhalle verwandelt, in der den dicht gedrängten Gästen dann Philharmonisches mit einem Touch populärer Griffigkeit verabreicht wurde.

In Sir Charles Mackerras war auch der für dieses hauptsächlich von der nationalen Romantik unserer östlichen Nachbarn gespeiste Programm der Dirigent der Wahl. Vor allem mit seinen CD-Einspielungen der Werke von Leos Janácek hat er Maßstäbe gesetzt. Zu diesen zählt auch eine von Janáceks Sinfonietta, die Mackerras mit den Philharmonikern schon vor 20 Jahren aufgenommen hat.

Zum Abschluss des samstägigen Konzertes bewiesen Dirigent und Orchester, dass sie dieses Werk noch immer mit hinreißender Eindringlichkeit zu präsentieren wissen. Der patriotische Furor, den Janácek dieser Sinfonietta vor allem durch deren Blechgeschmetter zu Beginn und am Schluss einhauchte, wurde in der Wiedergabe durch die Wiener mit Mackerras gemeinsam mit der ruhigeren Motivik der übrigen Sätze in eine singuläre Klanggestalt von allgemeiner Gültigkeit integriert.

Schon schwieriger ließ sich eine so bewundernswerte Metamorphose an Anton Dvoøáks Konzertouvertüre "In der Natur" vollbringen. Bei so viel idyllischer Einfalt, die nur am raffiniert gebauten Schluss den Meister verriet, durfte man glücklich sein, dass Mackerras die Philharmoniker zu einer hörbar kernigen Tongebung animierte.

Derlei interpretatorische Retuschen waren bei Zoltán Kodálys Tänzen aus Galánta glücklicherweise nicht nötig. Auch wenn Mackerras bei der Wiedergabe dieses kontrastreichen Zigeunerweisen-Potpourris ebenfalls auf eine sehr direkte, dynamisch mitunter leicht angehobene symphonische Ausdrucksweise hörbaren Wert legte.

Weil auch bei einem Promenadenkonzert heuer die Chose nicht ganz ohne Mozart geht, bildete dessen c-Moll-Klavierkonzert (K 491) eigentlich den harten Kern dieses Nachmittags, zumal als Solist Schwergewicht Alfred Brendel aufgeboten war. Hier freilich waren die Orchesterfarben schon viel zarter und detailreicher schattiert. Sodass die Dialoge mit dem seine Interventionen beinah mit jenseitiger Entrücktheit einbringenden Solisten zu einem bewundernswert präzisen Wechselspiel voll wissender Eleganz wurden, dem man nur im Schlusssatz etwas mehr Tempo gewünscht hätte. (Peter Vujica /DER STANDARD, Printausgabe, 16.10.2006)