grafik: DER STANDARD
Die Mehrheit der VP-Funktionäre an der Basis ist gegen eine große Koalition und will lieber in die Opposition. Von der Parteispitze kommen aber Signale, dass auch eine Zusammenarbeit mit BZÖ und FPÖ denkbar wäre. Im Wahlkampf war eine solche Koalition ausgeschlossen worden. Die Sozialdemokraten reagieren verärgert.

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Wien - Noch-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel und Oberösterreichs VP-Landeshauptmann Josef Pühringer haben am Sonntag eine Koalition mit BZÖ und FPÖ nicht dezidiert ausgeschlossen. Wie wohl beide betonten, dass eine solche Dreierkoalition "keine Priorität" habe, wie Pühringer in der Fernseh-"Pressestunde" sagte, sei auch klar, dass es "keinen Zwang" gebe, in eine große Koalition mit der SPÖ einzutreten. Pühringer: "Wir führen keine Scheinverhandlungen. Wir verhandeln konstruktiv. Das heißt aber nicht, dass wir um jeden Preis hineingehen."

Ähnlich argumentierte auch Schüssel in einem Interview mit dem Kurier. "Es ist ja noch nicht gesagt, dass wir überhaupt in eine Regierung hineingehen! Wir lassen uns nicht unter Druck setzen, weil es angeblich nur eine Möglichkeit gibt", sagte er und erwähnte auf eine entsprechende Rückfrage die rechnerisch mögliche "Dreierkoalition".

Eine Minderheitsregierung der ÖVP mit dem BZÖ unter Duldung der FPÖ hält Pühringer für ein "ausgesprochenes Notkonstrukt, dem ich keine Bedeutung zumesse". Wobei klar sei, dass "sicherlich eine Mehrheit der ÖVP-Funktionäre gegen eine große Koalition ist", sagte Pühringer. "Der Großteil der Basis will uns lieber in der Opposition sehen."

Die SPÖ reagiert auf diese Signale hörbar verschnupft. "Äußerst bedauerlich und unverständlich" nennt SP-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos die jüngsten VP-Äußerungen. "Was von ÖVP-Obmann Schüssel abwärts zu hören ist, erweckt nicht den Eindruck, dass die ÖVP rasch zu einer handlungsfähigen Regierung kommen will und die großen Herausforderungen der Zukunft zügig angehen möchte", sagte Darabos am Sonntag. Wenig hilfreich seien auch die Versuche vom niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll, Bundespräsident Heinz Fischer in die Koalitionsverhandlungen hineinzuziehen.

Die Eurofighter dürften aber nicht zu einem Stolperstein in den am Dienstag weitergehenden Verhandlungen mit der SPÖ werden. Diese Ansicht vertreten Pühringer und der scheidende VP-Nationalratspräsident Andreas Kohl.

Pühringer sagte am Sonntag: "Die ÖVP wird ganz sicher nicht den Fehler machen, den Verhandlungstisch wegen des Vertrages zu verlassen. Das wäre ein falsches Signal, dass wir etwas zu verbergen hätten." Dennoch sei ein Untersuchungsausschuss zum Ankauf der 18 Abfangjäger alles andere als ein "angenehmer Willkommensgruß", sagte Pühringer auf eine entsprechende Nachfrage.

Hier zeichne sich wie bei der jüngsten ORF-Wahl eine Koalition zwischen SPÖ, Grünen und BZÖ ab. Pühringer glaubt, dass eine Stornierung der 18 Eurofighter - samt Pönalzahlungen und dem Preis für alternative Flieger - teurer käme, als an den bereits bestellten Eurofightern festzuhalten.

Mehrmals sagte Pühringer, die ÖVP stehe nicht im "Schmollwinkel", man spiele nicht die "beleidigte Leberwurst". Aber im Wahlkampf seien seitens der SPÖ erstmals "Grenzüberschreitungen" passiert, das gehöre aufgearbeitet. Die SPÖ habe geglaubt, einfach zur Tagesordnung übergehen zu können. Der Napalm-Wahlkampf der SPÖ habe sich "gewaltig" von früheren Wahlauseinandersetzungen unterschieden.

Neuwahlen bezeichnete Pühringer als letzten Weg, zuvor wolle man ernsthaft an einem "großen Programm" mit der SPÖ verhandeln, sagte Pühringer. "Wir wollen keine Neuwahlen provozieren. Das ist für uns der allerletzte Weg."

Umfragen

Neueste Umfragen zeigen, dass der Abstand der SPÖ zur ÖVP seit dem zwei Wochen zurückliegenden Wahlsonntag auf mittlerweile drei Prozentpunkte angewachsen sei. Bei der Nationalratswahl lagen beide Parteien einen Prozentpunkt auseinander. Pühringer sagte, die SPÖ solle nicht glauben, dass man mit "36 Prozent 100 Prozent Sozialismus" umsetzen könne. Er glaube aber den Meinungsforschern nicht mehr. Diese hätten schließlich zur Wahlniederlage der ÖVP beigetragen, indem sie bis kurz vor dem 1. Oktober einen sicheren Vorsprung der Volkspartei kommuniziert hätten und so viele schwarze Kernwähler der Wahl ferngeblieben seien.

Einer der Knackpunkte in der Verhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP sind neben den Eurofightern, der Frage nach Grundsicherung oder der Studiengebühren naturgemäß personelle Fragen. Auch wenn Personalentscheidungen erst zum Schluss der Verhandlungen geklärt werden sollten, wie SP-Chef Alfred Gusenbauer sagte, meinte Oberösterreichs SP-Chef Erich Haider, den Finanzminister muss "auf jeden Fall die SPÖ stellen".

Salzburgs SP-Landeshauptfrau Gabi Burgstaller bezeichnete das ÖVP-Verhandlungsteam wegen der geforderten Ehrenerklärung und Entschuldigungen zu Beginn der Koalitionsverhandlungen am vergangenen Freitag als "Team der Verletzten". (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16.10.2006)