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Ein letzter Schmatzer, bevor es in die Hölle geht: Boris Trajanov (als Giovanni).

Foto: APA/STEFAN ZOLTAN
Klagenfurt - Mag sein, dass man in einem vom Mozart-Jubel freien Jahr, einem Jahr ohne sommerliche Salzburger Amadeus-Überdosis, also unter anderen Bedingungen ein wenig anspruchsloser in diesen Don Giovanni gegangen wäre, mit dem sich Dietmar Pflegerl von seinem Haus als Regisseur verabschiedet.

Wagemutiges Kollektiv

So aber sitzt man da, einige frische Verführer-Produktionen im Kopf, und nimmt vom Intendanten leider die Botschaft entgegen, dass sein Giovanni gesundheitlich angeschlagen ist und um Milde bittet.

Nach einer Stunde jedoch hat man das Gefühl, dass es - bis auf Leporello (glänzend: Simone del Savio) und Komtur (passabel: Vassiliy Savenko) - eigentlich alle verdient hätten, als etwas indisponiert zu gelten. Denn Jessica Muirhead (als Donna Anna), Arpine Rahdjian (als Donna Elvira), Daniela Fally (nicht ganz so schlimm als Zerlina), Claude Pia (als Don Ottavio) und Dimitry Ryabchikov (als Masetto) ergeben ein vor allem im ersten Akt intonatorisch sehr wagemutiges Kollektiv, von dem sich Boris Trajanov (als Don Giovanni) trotz Beeinträchtigung mitunter vorbildlich abgrenzen konnte.

Szenische Karosserie

Dazu noch die etwas steife, trockene und wenig bewegende Leistung des Orchesters unter Enrico Dovico - und fertig war ein musikalischer Mozart-Motor, dessen Stottern ärgert und sich für die szenische Karosserie als wenig hilfreich erweist. So wirkt dann Pflegers Arbeit als eine durch die Musik gelähmte, routinierte Umsetzung von teils grellen Ideen, von denen manche nun auch gewiss Sinn ergaben.

Sein Giovanni ist ein Gefühlsdarsteller, der für jede Situation die passende Emotionstonart zwischen zweckorientiertem Charme und Zerknirschung findet. Wobei: Letztlich kommt sein verhöhnender Charakter zum Zug, wenn er etwa auf dem Komtur-Grab liegend den Diener schreckt.

Vergebung in Form von Erregung

Um Giovanni herum betroffene Figuren voller Bereitschaft, sich einlullen zu lassen. Am besten gelingt Pflegerl die Beziehung zwischen Masetto und Zerlina, die ihrem ungelenken Begleiter durch drastische Körperlichkeit Vergebung in Form von Erregung abringt. Das Ganze passiert in einem düsteren Einheitsraum (Berndt-Dieter Müller), der einer Party Platz bietet, auf der Zeitgenossen plötzlich aussehen, als wären sie Falcos schrillem Rokoko-Amadeus-Clip entsprungen.

Fressalien

Das ist solide, das Ende aber etwas aufgesetzt, wenngleich die Gedanken über die Beschaffenheit der Hölle natürlich frei sind. Beim finalen Gelage wird jedenfalls ein Tisch voller Fressalien und Fast-Nackten zum OP-Tisch. Giovanni wird festgebunden und weggeschoben. Dann brennt der Tisch. (Ljubiaa Toaiæ/DER STANDARD, Printausgabe, 14./15.10.2006)