Das Böse lauert überall, doch ein Funken Hoffnung bleibt: "Lights in The Dusk" von Aki Kaurismäki.

Foto: Viennale

Koistinen ist eine jener typischen Kaurismäki-Figuren, die im Leben keine Chance haben - und sie dennoch zu nützen versuchen. Der einsame Nachtwächter träumt davon, sich selbstständig zu machen, besucht zu diesem Zweck Kurse in Aktienwesen und stellt bei der Bank einen Kreditantrag. Doch anstatt dass seine Bemühungen belohnt würden, schickt man ihn durch die Hintertür wieder hinaus.

Fataler noch als der Wunsch nach dem beruflichen Aufstieg wirkt sich das Glücksstreben des "kleinen Mannes" in privaten Dingen aus. Blind verfällt er einer Blondine, die ihn nach Strich und Faden ausnimmt. Die Gangsterbraut (Maria Järvenhelmi) entlockt dem Wachmann (Janne Hyytiäinen) die Zutrittscodes zu einer Juwelenschau, setzt ihn während des Raubüberfalls außer Gefecht und legt ihm schließlich das Diebesgut unters Kissen; stoisch steckt er alle Schläge ein.

Dass man des "sentimentalen Idioten", als den ihn der Gangsterboss vor dem finalen Stoß verächtlich bezeichnet, nicht überdrüssig wird, ist der virtuosen Verbindung von distanzierter Erzählhaltung und menschlichem Grundton der Vorstadtballade zu verdanken. Noch konsequenter als in den früheren Filmen praktiziert Aki Kaurismäki in Lights in the Dusk / Laitakaupugin valot die Kunst der Reduktion. Wie in einem Bilderbuch reiht er farbintensive Tableaus aneinander, von denen jedes einzelne ein trauriges kleines Fest darstellt (für die Kamera zeichnete einmal mehr Kaurismäkis langjähriger Mitarbeiter Timo Salminen verantwortlich).

Die Dialoge, die im Werk des lakonischen Finnen schon immer äußerst knapp - und dafür umso wirkungsvoller - ausfielen, sind diesmal noch spärlicher gesetzt. Die formal strenge Inszenierung, in der Rot- und Blautöne wie im Melodram der Fünfzigerjahre ihren emotionalen Gehalt entfalten, konterkariert der Regisseur jedoch mit Tangoklängen von Carlos Gardel. Es ist der bittersüße Schmelz in einer Geschichte der Ausweglosigkeit, an deren Ende - gegen alle Desillusionierung - ein Funken Hoffnung steht. Wir nehmen teil an dem Wunder, dass selbst dem sanftesten Mann einmal der Kragen platzt und in der Wurstbude eine Verkäuferin wartet, die es gut mit ihm meint.

Der Film, der im Frühjahr in Cannes Premiere feierte, bildet den Abschluss einer Trilogie über existenzielle Bedingungen, die mit Wolken ziehen vorüber (1996) anhob und sechs Jahre später mit The Man Without a Past einen hoch gelobten Mittelteil fand. Während es im ersten Teil um Arbeitslosigkeit und im zweiten um Obdachlosigkeit ging, dreht sich der dritte um die Einsamkeit. Motivisch, in der Farbdramaturgie und in einzelnen Einstellungen knüpft Kaurismäki damit unübersehbar an Shadows in Paradise an, jene Arbeit, mit der er vor zwanzig Jahren zum ersten Mal internationale Aufmerksamkeit erlangte.

Aus dem dunkelhaarigen Müllabfuhrmann (Matti Pellonpää), der sich in dem damals Aufsehen erregenden Kleineleutefilm in eine blonde Kassiererin (Kati Outinen) verliebte, ist in der Zwischenzeit ein noch dunkelhaarigerer Nachtwächter geworden, der "der berechnendsten Frau in der Geschichte des Kinos seit All About Eve (1950) von Joseph L. Mankiewicz" (Kaurismäki) auf den Leim geht. Die Blondine von Hitchcock'schem Zuschnitt verleiht Kaurismäkis Werk eine neue Facette der Kälte; überhaupt gehört der vom Film noir inspirierte Lights in the Dusk zu den schwärzesten Arbeiten des finnischen Meisters.

In einer einzigen Szene sehen wir Koistinen lächeln: An die Gefängnismauer gelehnt, eine Zigarette zwischen den Fingern, streift ihn ein frühlingshafter Sonnenstrahl. Das muss für 78 Filmminuten reichen. (Nicole Hess / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13.10.2006)