Wien - Finanzminister Karl-Heinz Grasser (V) warnt angesichts der am Freitag anlaufenden Koalitionsverhandlungen vor einer "Rückkehr zur Schuldenpolitik der 70er und 80er Jahre". In einer Pressekonferenz mit Finanzstaatssekretär Alfred Finz (V) sagte der Minister in Richtung SPÖ, "dass es keinen Spielraum gibt, um das Füllhorn über Österreich auszuschütten. Geschenke ohne eine Gegenleistung bringt in aller Regel nur der Weihnachtsmann." Er selbst kann sich entgegen früherer Aussagen nun einen Verbleib im Finanzministerium vorstellen.

Wünsche an die Große Koalition

Sollte es zu einer Großen Koalition kommen, wünscht sich Grasser eine große Staatsreform. Es dürfe "keine Regierung des kleinsten gemeinsamen Nenners" geben, deponierte der Minister und sprach von "Verhandlungen mit offenem Ausgang". Neue Ausgaben vorzuschlagen sei "in Ordnung", aber: "Jeder, der das tut, der sollte auch eine Bedeckung, eine Finanzierung zusätzlicher Ausgaben vorschlagen", sagte Grasser - und zwar über Einsparungen, "weil ich für neue Steuern nicht zur Verfügung stehe."

Im Jänner hatte Grasser noch dezidiert ausgeschlossen, unter einem Kanzler Alfred Gusenbauer Finanzminister zu bleiben ("ich würde es auch nicht tun"). Am Donnerstag schwächte Grasser merklich ab: Letztlich sei es eine Entscheidung von VP-Verhandlungsführer Wolfgang Schüssel, seine Regierungsmannschaft zusammenzustellen. Und: "Ich weiß ja auch nicht, ob der Alfred Gusenbauer Bundeskanzler sein wird."

Nicht beantwortet

Auf den Hinweis, dass er unabhängig davon ausgeschlossen hatte, länger als zwei Legislaturperioden im Amt zu bleiben, sagte Grasser: "Es gibt zwei Möglichkeiten: Dass ich in die Privatwirtschaft gehe, das ist eine absolut realistische Möglichkeit, und dass ich Finanzminister bleibe." Und auf die neuerliche Frage, ob er unter Kanzler Gusenbauer in die Privatwirtschaft wechseln würde: "Sie haben schon gemerkt, dass ich Ihnen diese Frage nicht beantworte."

Ausführlich lobten der Minister und sein Staatssekretär dagegen ihre bisherige Arbeit. Grasser geht davon aus, dass das für heuer geplante gesamtstaatliche Defizit von 1,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) deutlich unterschritten werden kann (1,53 Prozent). Ohne weitere Maßnahmen würde laut Grasser im Jahr 2010 quasi automatisch ein "Nulldefizit" erreicht (0,09 Prozent Defizit): "Wenn man die Weichen nicht umstellt, kann man eigentlich nichts falsch machen, weil der Weg in Richtung Nulldefizit vorprogrammiert ist."

Keine konkreten Zahlen

Trotzdem spricht sich Grasser weiterhin für ein Nulldefizit im Jahr 2008 aus. Dafür müsste ein für dieses Jahr erwartetes gesamtstaatliches Minus von 1,47 Prozent des BIP abgebaut werden, was laut Grasser "realistisch erreichbar" ist - und zwar über eine Staats- und Verwaltungsreform. "Wenn eine Große Koalition antreten sollte, dann muss sie große Projekte lösen", so Grasser. Konkrete Zahlen über deren Sparpotenzial nannte er nicht.

Matznetter: "Geschönte Abgangsbilanz"

SP-Finanzsprecher kritisierte Grassers Zahlen als als "geschönte Abgangsbilanz" des Ressortchefs und forderte einen "ernsthaften Kassensturz". Für Matznetter müssen ÖVP und SPÖ innerhalb kurzer Zeit eine "einvernehmliche Sicht der Budgetentwicklung bis 2010" erarbeiten.

Die Warnung Grassers vor einer neuen "Schuldenpolitik" weist Matznetter zurück: "Mit der SPÖ wird es keine Projekte geben, die nicht vollständig finanziert sind. Und das bedeutet nichts anderes als dass es mit der SPÖ keine neuen Schulden geben wird." (APA)