Belgrad - Die serbische Führungsspitze ist intensiv um die Wiederaufnahme der Gespräche mit der EU über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA) bemüht. Nach einem dreitägigen Besuch in Italien Anfang der Woche will der serbische Staatschef Boris Tadic das Anliegen Belgrads am Freitag in Helsinki sowohl seinen finnischen Gesprächspartnern wie auch den EU-Spitzenfunktionären, dem Chefdiplomaten Javier Solana und dem EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn, überbringen.

Die Europäische Union hatte im Mai die SAA-Gespräche mit Belgrad wegen der Nicht-Zusammenarbeit mit dem UNO-Kriegsverbrechertribunal gestoppt. Sie ist nach wie vor das Haupthindernis für die Wiederaufnahme der SAA-Gespräche.

"Versäumnisse"

"Jetzt sieht man, was für ein großer Fehler es war, die Zusammenarbeit mit dem Tribunal nicht beendet zu haben", sagte Tadic gegenüber der Presseagentur Beta vor seiner Helsinki-Reise. "Durch die Nicht-Zusammenarbeit wird Serbien historisch verlangsamt, sie fügt ihren Bürgern Schaden zu". Für den serbischen Staatschef steht fest: "Für die Versäumnisse (in Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal) ist die Regierung sowohl dem Völkerrecht wie auch dem heimischen Recht nach verantwortlich."

Laut Belgrader Medienberichten hatte Tadic Anfang der Woche die Unterstützung Roms für die Bemühungen Belgrads um eine sofortige Wiederaufnahme der SAA-Gespräche erhalten. "Die künftige demokratische Regierung würde sich im Falle der bedingten Wiederaufnahme der Gespräche verpflichten, sich die Festnahme und Auslieferung von (dem ehemaligen bosnisch-serbischen Militärchef Ratko) Mladic zu ihrer Priorität zu machen."

Die Garantie dafür würde Tadic zufolge, der Neuwahlen in Serbien noch vor Jahresende erwartet, die "Praxis" liefern. "In der Zeit als die Demokratische Partei eine entscheidende Rolle in der Regierung hatte, wurde (der frühere Staatschef) Slobodan Milosevic an das UNO-Tribunal (Juni 2001, Anm.) überstellt". Der Staatschef zweifelt gar nicht an einer erneuten entscheidenden Rolle seiner Demokratischen Partei in der neuen Regierung.

Würde das SAA-Abkommen nicht vor Jahresende abgeschlossen werden, würde Serbien mehrere Jahre in seiner Annäherung an die Europäische Union versäumen, warnte Tadic. Um die Wiederaufnahme der SAA-Gespräche wird sich am Montag bei einem Treffen mit der EU-Troika in Luxemburg auch der serbische Regierungschef, Vojislav Kostunica, bemühen. Im Vordergrund der Gespräche wird den laut Medienberichten auch die Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal stehen.

Die Chefanklägerin des UNO-Tribunals, Carla Del Ponte, soll die Europäische Union Anfang nächster Woche über die Zusammenarbeit Belgrads informieren. Ihr Bericht dürfte den Ankündigungen nach für Belgrad kaum positiv ausfallen.

Festnahme Mladics "nur eine Frage von Tagen"

Die Festnahme des als Kriegsverbrecher gesuchten früheren Militärchefs der bosnischen Serben, Ratko Mladic, ist nur "eine Frage von Tagen". Dies sagte der Belgrader Staatsanwalt für Kriegsverbrechen, Vladimir Vukcevic, der seit Juli die Fahndung der serbischen Sicherheitsdienste nach Mladic koordiniert, gegenüber der Tageszeitung "Vecernje novosti" am Donnerstag. "Ich bin überzeugt, dass es eine Frage von Tagen ist, bis wir ein endgültiges Resultat haben werden." Vukcevic erklärte auch, dass sich der bosnisch-serbische Ex-Präsident Radovan Karadzic nicht in Serbien befinde.

Dass Mladic seit Jahren nicht verhaftet und an das UNO-Kriegsverbrechertribunal ausgeliefert werden konnte, liege an der "außergewöhnlich professionellen und gut organisierten Gruppe" von Helfershelfern. Auf der Flucht befinden sich noch sechs Haager Angeklagte. Mindestens einer von ihnen, der ehemalige serbische Polizei-Spitzenfunktionär Vlastimir Djordjevic, dürfte sich nach Angaben des Haager Gerichtes im russischen Rostow verstecken.

Ein anderer Haager Angeklagte, der einstige bosnisch-serbische Offizier Zdravko Tolimir, dürfte laut Vukcevic derzeit für die Fluchtpläne Mladics zuständig sein. Tolimir war während des Bosnien-Krieges Leiter der bosnisch-serbischen Militärnachrichtendienste und einer der engsten Mitarbeiter Mladics. In der Vergangenheit wurde wiederholt darüber spekuliert, dass sich Mladic und Tolimir an dem selben Ort verstecken.

Seit Ende September läuft in Belgrad ein Prozess gegen zehn ehemalige Helfer Mladics. "Auf Grund ihrer Aussagen kann man überhaupt nicht schließen, wo sich Ratko Mladic jetzt aufhält, da sie (Mladic und seine derzeitigen Helfer) jede Kommunikation zu den früheren Helfern unterbrochen haben", präzisierte Vukcevic.

Seit Jahresbeginn gab es in Belgrad bereits wiederholt Berichte über eine "unmittelbar bevorstehende" Festnahme Mladics. Ergebnisse blieben bisher aus.

Die serbische Regierung hatte mit der EU vor Monaten einen "Aktionsplan" zur Ergreifung des Generals verabredet. Die Verhaftung und Auslieferung von Mladic ist die Voraussetzung, dass die EU die im Mai ausgesetzten Verhandlungen über das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA), eine Annäherung Belgrads an Brüssel, wieder aufnimmt.

Mladic werden Völkermord und andere Kriegsverbrechen während des Bosnien-Krieges (1992-1995) vorgeworfen. 1995 wurde er vom Kriegsverbrechertribunal in Den Haag angeklagt. Bis Anfang 2002 lebte Mladic in seiner Villa in Belgrad und tauchte erst danach unter. (APA)