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In der Vergangenheit hat Stoisits vom RednerInnenpult aus die Regierung heftig kritisiert. Im Parlament könnte sie bald hinter der Regierung sitzen - und will weiterhin kritisieren. "Wenn jemand sagt, ich bin emotional, ja, das stimmt. Aber ich bin auch beharrlich." In manchen Fragen versteht Terezija Stoisits keinen Spaß.
Foto: APA/Robert Jaeger
16 Jahre lang saß Terezija Stoisits als Abgeordnete und Vorkämpferin für Menschenrechte im Parlament. Im Gespräch mit Michael Völker versichert sie, weiterhin ans RednerInnenpult schreiten zu wollen.

DER STANDARD: Sie sind als Dritte Nationalratspräsidentin im Gespräch. Freut Sie das?
Stoisits: Ich bin gar nicht nominiert. Das ist eine Entscheidung des Klubs. In unseren Reihen gibt es etliche hoch qualifizierte Kandidatinnen. Ich bin schon einmal Kandidatin gewesen, vor vier Jahren, als die Grünen Vierte wurden. Der Unterschied zwischen der FPÖ und den Grünen war nur ein Mandat. Die Grünen haben damals ein Zeichen gesetzt: jene Politikerin aus ihren Reihen zu nominieren, die ein ganz klares Profil hat, die eine politische Vergangenheit und eine Biografie hat, die davon geprägt ist, sich für Minderheiten und jene einzusetzen, die es in Österreich nicht so leicht haben wie andere. Wenn die Grünen ihre Menschenrechts- und Migrationssprecherin für das Präsidium des Nationalrats nominieren, setzt die Partei ein bewusstes Zeichen. Ein Zeichen für Menschenrechtspolitik, für Minderheitenpolitik, für den Einsatz für Rechtsstaatlichkeit.

DER STANDARD: Keine Abgeordnete hat sich so intensiv den Rechten für Ausländer und Minderheiten gewidmet wie Sie. Als Nationalratspräsidentin würde Ihr Handlungsspielraum massiv eingeschränkt sein. Täte Ihnen das nicht leid?
Stoisits: Das sehe ich nicht so. Eine Nationalratspräsidentin kann auch eine Sprecherfunktion haben. Das eine schließt das andere ja nicht aus. Die Funktion des Zweiten oder Dritten Präsidenten ist kein Fulltime-Job. Die Dritte Präsidentin des Nationalrates ist auch eine Politikerin.

DER STANDARD: Thomas Prinzhorn oder Barbara Prammer haben davon keinen Gebrauch gemacht. Ich kann mich nicht erinnern, dass einer der beiden im Parlament ans Rednerpult getreten wäre.
Stoisits: Aber ich kann mich erinnern, dass seinerzeit Heide Schmidt als dritte Präsidentin sehr wohl ans Rednerpult getreten ist. Sie war auch Justizsprecherin ihrer Partei, damals noch für die FPÖ. Präsidentin zu sein, heißt nicht, dass man sich deshalb weniger einsetzt, ganz im Gegenteil. Damit sind auch Positionen gestärkt. Die Position, die man inne hat, unterstreicht die inhaltliche Arbeit. Das halte ich für wesentlich. Dieses Land hat wahrlich Menschenrechtspolitikerinnen nötig.

DER STANDARD: Sie würden also Menschenrechts-, Migrations- und Justizsprecherin bleiben?
Stoisits: Das wird im Klub entschieden werden. Vielleicht gibt es ja noch eine Überraschung. Wir haben jetzt vier zusätzliche Abgeordnete, da kann man die Aufgaben neu verteilen. Ich habe ein riesiges Arbeitsfeld gehabt. Ich möchte mich mehr auf etwas konzentrieren können.

DER STANDARD: Bisher war die Position der Nationalratspräsidenten sehr auf das Repräsentieren angelegt.
Stoisits: Das war vielleicht für andere das Verständnis. Es ist die Frage, was man aus dieser Position macht. Den österreichischen Nationalrat zu repräsentieren ist nichts Negatives. Wenn jemand den Nationalrat repräsentiert und dann auch noch Botschaften damit verknüpft, ist das doch ein gelungenes Amtsverständnis.

DER STANDARD: Würde es Ihnen nicht schwer fallen, unparteiisch zu bleiben?
Stoisits: Der sitzungsleitende Präsident hat eine Funktion auszuüben, er wacht über die Geschäftsordnung des Nationalrates. Ich bin auch Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses gewesen und habe nie eine Klage gehört, dass ich parteiisch wäre. Etwas anderes ist, wenn man im Präsidium des Nationalrats vertreten ist. Dann bleibt man trotzdem eine grüne Politikerin. Oder eine rote oder schwarze. Es ändert sich an der politischen Meinung nichts. Ich halte es nicht für einen Nachteil, parteiisch für Menschenrechte zu sein.

DER STANDARD: Ein Resümee nach sechzehn Jahren im Parlament: Was hat Ihr Engagement für Menschenrechte, für Minderheiten gebracht?
Stoisits: Wenn ich zurückdenke, welchen Stellenwert Menschen- und Minderheitenrechte vor 16 Jahren gehabt haben und welchen sie heute haben, dann hat sich wahnsinnig viel geändert. Heute sind diese Fragen ein politisches Thema. Aber es ist nicht alles besser geworden, wenn ich an die Entwicklung des Asylrechts oder des Fremdenrechts denke. Das Fremdenrechtspaket der Bundesregierung, dieses sinnlose Staatsbürgerschaftsgesetz, das sind Schikanen gegen Ausländer, von denen man nicht will, dass sie eingebürgert werden. Bestimmten Gruppen bläst in Österreich der Wind viel stärker ins Gesicht als früher. In den 90er- Jahren unter Löschnak war es allerdings auch nicht einfach. Was aber sicher gelungen ist: An Menschenrechten, an Menschenrechtspolitik und an Menschenrechtspolitikerinnen kommt man heute nicht mehr vorbei. Ich war die erste Menschenrechtssprecherin einer Partei in Österreich, inzwischen ist der Druck so groß, dass alle Parteien Menschenrechtssprecher nominieren müssen. Von manchen hört man halt wenig.

DER STANDARD: Und in Kärnten werden zweisprachige Ortstafeln mittlerweile wieder gegen einsprachige ausgetauscht.
Stoisits: Als ich in den Nationalrat gekommen bin, hat es einen Volksgruppenbeirat für die Slowenen gegeben, noch keinen für die Ungarn und noch nicht einmal zweisprachige Ortstafeln im Burgenland, gar nichts. Die Roma waren nicht einmal als Volksgruppe anerkannt. Diese Themen sind, wenn man so will, Dauerbrenner. Menschenrechte haben es so an sich, dass man immer für sie kämpfen muss. Es gibt da nichts Selbstverständliches. Das muss man immer wieder auf Biegen und Brechen durchsetzen. Dass die Ortstafelfrage in Kärnten nicht gelöst ist, macht uns zum Gespött Europas. Da werde ich weiterkämpfen. Wenn jemand sagt, ich bin emotional, ja, das stimmt. Aber ich bin auch beharrlich. Beharrlichkeit vermag auch einiges zu dokumentieren und durchzusetzen.

DER STANDARD: Die Grünen sind zwar der kleine Wahlsieger, aber für eine Regierungsbeteiligung reicht es nicht. Was haben sie falsch gemacht? Stoisits: Die Grünen haben zwei Ziele formuliert, nämlich zweistellig und Dritte zu werden. Wir haben beide Ziele erreicht. Dass die Grünen jetzt nicht in der Position sind, in eine Regierung eintreten zu können, hat nicht mit den Grünen selbst, sondern mit der Schwäche der anderen zu tun. Wir haben so viel dazu gewonnen, genau wie wir es wollten. Dass die Schwarzen und die Roten Stimmen verloren haben, kann man uns nicht anlasten. Mit Blau und Orange, wo ich keinen Unterschied sehe, gibt es keine Berührungspunkte. Wir wissen, wie Oppositionsarbeit zu machen ist. Das haben wir in den letzten 20 Jahren bewiesen. Aber auch Oppositionsarbeit kann man intensivieren und verbessern. Das wollen wir machen. (DER STANDARD, Printausgabe 11.10.2006)