Wien - Die Energieunternehmen in Europa geraten immer mehr in die Defensive. Grund sind die exorbitanten Gewinne, die viele Strom- und Mineralölkonzerne zuletzt realisiert haben. Dies gehe auf Kosten der Verbraucher, die noch nie so tief in die Tasche greifen mussten, wie Konsumentenschützer monieren. Mehr Kontrolle sei geboten.

Allein die an der Börse notierten Energieunternehmen Österreichs weisen beachtliche Gewinnsteigerungen aus. So hat die EVN in der Jahresbilanz 2004/5 (per Ende September) den Gewinn (Ebit) um 14,3 Prozent auf 131 Mio. Euro gesteigert, der Verbund hat 2005 beim Gewinn um 36,6 Prozent auf 526,5 Mio. Euro zugelegt, die OMV hat ihren Gewinn gar auf knapp zwei Mrd. Euro verdoppelt. In Deutschland konnten sich im Vorjahr Konzerne wie Eon (rund sechs Mrd.) und RWE (etwa fünf Mrd.) über noch höhere Gewinne freuen.

Die von der EU-Kommission eingeleitete Branchenuntersuchung, die auch Erhebungen in Österreich nach sich gezogen hat, soll spätestens Ende des Jahres ein Ergebnis zeitigen. Dies könnte dann in eine Verschärfung bestehender Richtlinien münden.

Verschärfung

In Österreich könnte dies dazu führen, dass im Strombereich über kurz oder lang doch eine eigentumsrechtliche Trennung zwischen Produktion und Transport der Energie vorgeschrieben werden muss. Derzeit ist in Österreich nur eine gesellschaftsrechtliche Trennung zwischen dem Erzeugungsbereich und dem Stromnetz vorgeschrieben, der Eigentümer im Hintergrund kann aber derselbe sein. Damit werde der Markteintritt neuer Wettbewerber, die den Markt aufmischen könnten, erschwert, wie der österreichische Energieregulator Walter Boltz anklingen lässt.

Mit Österreich haben sich bisher vor allem Deutschland und Frankreich gegen eine eigentumsrechtliche Trennung von Produktion und Netz gewehrt. In Deutschland beginnt der Widerstand zu bröckeln. Weil dort die Strompreise im Vergleich zu Österreich um rund ein Viertel (Haushaltsbereich) höher sind, wird der Ruf auch in konservativen Kreisen nach einer Verschärfung der Antitrust-Regelung und einer Zerschlagung der Stromkonzerne lauter. „Industrieverbände und Haushalte empfinden nichts als kalte Wut angesichts der hohen Preise“, sagte Michael Schöneich vom Verband deutscher kommunaler Unternehmen bei einer Veranstaltung der Arbeiterkammer am Dienstag.

Kontroverse

Wenig Chancen, mehr Wettbewerb in der Strommarkt zu bringen, sieht die Leiterin der Abteilung Wirtschaftspolitik in der Arbeiterkammer, Agnes Streissler. Das hätten die vergangenen fünf Jahre seit Beginn der Vollliberalisierung in Österreich mehr als deutlich gezeigt. „Wenn die Energieunternehmen schon Monopolisten sind, dann lassen wir doch die öffentliche Hand daran beteiligt sein“, plädierte die AK-Expertin für staatlichen Aktienbesitz in Energieunternehmen. Die hohen Gewinne könnten dann über die Staatsausgaben umverteilt werden.

Für eine stärker privatisierte und deregulierte Stromwirtschaft sprach sich Reinhold Mitterlehner von der Wirtschaftskammer Österreich aus. Allerdings seien die Rahmenbedingungen zu verbessern. „Heute herrschen eher kartellähnliche Verhältnisse und nicht Wettbewerb.“

OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer verteidigte die hohen Gewinne unter Hinweis auf die hohen Investitionen, die das Unternehmen tätige. „Wir haben jedes Jahr Investitionen in der Größenordnung unseres Cashflows.“ Allein der Ersatz der von der OMV jährlich geförderten Ölmenge verschlinge einen Milliardenbetrag. (Günther Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.10.2006)