Der Bau der Nord-Stream- Pipeline auf russischem Gebiet geht flott voran. Sie soll am Boden der Ostsee bis nach Deutschland und weiter nach Großbritannien geführt werden.

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Die jüngste Entscheidung von Gasprom, das Schtokman-Feld ohne westliche Partner zu erschließen, sorgt für Skepsis.

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Jahrzehntelang hat Europa nicht viel Aufhebens um eine stabile Energieversorgung gemacht. Erst der Jahreswechsel 2006 mit dem Gaskonflikt zwischen Russland und Ukraine kam es zu Lieferengpässen und damit rückte die Frage der Zuverlässigkeit von Energiequellen ins Zentrum. Konkret jene Russlands, hängt Europa doch - mit steigender Tendenz - bereits zu einem Viertel am russischen Gastropf.

Europa sorgt sich nun doppelt: Erstens, ob Russland auf absehbare Zeit über ausreichende Gasliefermengen für Europa und Asien verfügt, und zweitens ob Zwistigkeiten mit der Ukraine den Transit abermals gefährden könnten. Wiederholt hat EU-Energiekommissar Andris Piebalgs Russland auf einen Bericht der Internationalen Energiebehörde IEA aufmerksam gemacht. Diese hatte in Zweifel gezogen, dass der russische Gasmonopolist Gasprom, der auf einem Sechstel der weltweiten Gasvorräte sitzt, angesichts unzureichender Investitionen über ausreichende Liefermengen verfügt. Analysten sehen ab 2010 die Gefahr von Engpässen. 900 Milliarden Dollar müsse das Land bis 2030 in den Energiesektor investieren und die riesigen Energieverschwendungen eindämmen.

Erschließung des Schtokman-Felds ohne Ausländer

Kritisch beäugt wird außerdem Gasproms Strategie, Gas in Zentralasien zuzukaufen, Experten empfehlen eine zügigere Erschließung neuer Lagerstätten. Gasprom-Chef Alexej Miller hat unterdessen angekündigt, bei Investitionen mehr den Transport und weniger die Förderung zu fokussieren. Hat Gasprom in Sachen Energieverschwendung zwar nie Hoffnung auf Verbesserungen gemacht, so hat der Monopolist am Montag eine große auf das Schtokman-Feld zerschlagen: Zur Erschließung dieses größten Offshore-Gasvorkommens der Welt mit 3,2 Billionen Kubikmetern werde man keine ausländischen Partner beiziehen. Die fünf westlichen Konzerne auf der Shortlist für einen 49-prozentigen Anteil am Projekt gehen damit leer aus. Sie hätten keine adäquaten Aktiva zum Tausch vorschlagen können, behauptet Gasprom.

Diese Ohrfeige gilt in erster Linie den USA, die ab 2011 werden hätten sollen. Zwar schmeichelte Gasprom-Chef Alexej Miller der EU, dass er künftig vor allem sie über die im Bau befindliche Pipeline "Nord-Stream" mit Schtokman-Gas versorgen werde, Experten sehen den Grund für den Alleingang allerdings darin, dass selbiger de facto auf Jahre hinausgeschoben ist. Denn Gasprom habe weder die Finanzkraft noch die nötige Technologie. Die Versorgung der "Nord-Stream" nach Deutschland sei auch so auf zehn bis 15 Jahre gesichert, schätzen Branchenkenner. Die Pipeline, die 2010 in Betrieb gehen soll, bekam als Alternativ- oder Zusatzroute während des Gasstreites mit der Ukraine die nötige Unterstützung. Bis 2010 läuft der Löwenanteil des Exports freilich über die Ukraine, die mit zusätzlichen Gasentnahmen Engpässe ausgelöst hatte.

"Persönliche Garantien"

Bei einem Treffen der Koordinationsgruppe Gas mit Vertretern Russlands und der Ukraine erhielten die EU-Vertreter vorige Woche in Brüssel, wie es hieß, "persönliche Garantien" für störungsfreie Gaslieferungen im Winter. Gegenwärtig gebe es "keine Gründe zur Beunruhigung", hieß es, "Wachsamkeit" in der Frage sei aber "nötig". Laut EU-Energiekommissariat hätten Russland und die Ukraine termingerechte Lieferungen zugesagt, notfalls aus Speichern.

Analysten schätzen, dass den Zusagen eine Vereinbarung zwischen Moskau und Kiew zugrunde liegt - dergestalt, dass Kiew 2007 sein zentralasiatisches Gas über das Konsortium RosUkrEnergo nicht um 250 Dollar, sondern um 130 Dollar/1000m3 erhält. Stattdessen habe man einen störungsfreien Transit versprochen. Gerade im Moment allerdings stockt er - nach Polen: PGNiG meldet seit Anfang Oktober Unregelmäßigkeiten. (Eduard Steiner aus Moskau, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.10.2006)