Der uninteressanteste Aspekt an einem Krimi ist die Frage, wer es getan hat.Mit der Lösung des Rätsels verliert sich schnell das Interesse, man eilt zu anderen Exemplaren der Gattung weiter – so ist das eben.

 

Bei Wolf Haas ist es anders. Es ist der Verdienst seiner Brenner-Krimis, dass der Mechanismus still steht und alles Stoffliche hinter die Form zurücktritt. Die Frage, wer nun eigentlich schuld daran ist, dass schon wieder etwas passierte, warum und wie, schlägt einen viel weniger in Bann als die, wasdemErzähler wohl als Nächstes einfällt. Daraus folgt zwingend, dass Brenner- Romane nicht verfilmbar sind. Was so sehr vom kalkulierten sprachlichen Wahnwitz lebt, kann nicht ins Bildliche aufgelöst werden; wo die Verwicklungen des Plots derart unwichtig sind, kann eine Dramatisierung nicht gelingen.

Das ist so offensichtlich, dass man schon verrückt sein müsste, es überhaupt zu versuchen. Wolfgang Murnberger ist nicht verrückt, er tat es, und es gelang. Gemeinsam mit Wolf Haas und Josef Hader – der eben nicht nur ein guter Schauspieler ist, sondern nebenbei der beste Kabarettist, nein, sagen wir es klar, der beste lebende dramatische Schriftsteller deutscher Sprache – hat er dem Verschlungenen der Haas’schen Sprache ein Skript vorgeschrieben. Was dabei herauskam: ein eigenständiges Werk, voll eigenen Witzes und Wahnsinns, wie es bei guten Verfilmungen sein muss. Auch hier geht es nicht wirklich um die Frage nach den Tätern. Mehr als für sie interessiert man sich für Hader, für die feinen Regungen von Brenners übellaunigem Gesicht, für die herrlichen Details der Schauplätze.

Im zeitgenössischen Fernsehspiel scheint alles immer ein wenig zu sauber, glatt und gediegen: Hier aber ist alles ein wenig dreckiger, heruntergekommener als die Realität selbst; sogar die prunkvollen Wohnungen der Salzburger Gesellschaft scheinen unter einem Schmutzfilm zu liegen. Wie in den großen Krimis von Chandler und Hammett ist es existenzieller Dreck; die Welt scheint zerklüftet, brutal, und Brenner ist, wie es sich für den klassischen Detektiv gehört, im Schmutz heimisch, ohne seinen Anstand zu verlieren.

Nach dem Sehen bleibt: Nicht die Erinnerung an den Täter, sondern das Bild eines anständigen Mannes in einer gefallenen Welt, den Pathos ebenso anekelt wie das Unrecht.

Bilder von perversen Kammersängern, dümmlichen Theaterlemuren, Klöstern, in deren Düsternis alles Abscheuliche möglich ist, und Empfängen reicher Hirschhornknopfmänner und Dirndlfrauen, unter denen niemand wäre, der kein Verbrechen begangen hätte. Ganz im Hintergrund: Das Bild eines Mönchs im Halbschatten, der, in einem Bus sitzend, in seinen Block schreibt: der Autor, dessen Vision alles entsprungen ist. Denn allerdings, das Leben ist brutal und blutig. Das Unrecht siegt immer. Aber das ist noch lange kein Grund, die Sprache zu verlieren, die Nerven oder gar den Humor.

Daniel Kehlmann, Der Autor publizierte zuletzt den Bestseller „Die Vermessung der Welt“.