Der Anfang einer Filmkarriere ist mitunter auch eine Richtungsentscheidung. Eine formalästhetische und narrative Handschrift befindet sich erst in der Entwicklungsphase, roh und kompromisslos tobt ein offener Konflikt mit dem Repräsentationssystem.

 

Nicht selten wird gesellschaftspolitisches Engagement mit (auto)biografischen Aspekten kombiniert und zum Ausdruck gebracht. Selten allerdings in so gekonnter und ausgeklügelter Manier wie bei den fünf filmischen Studien dieser Kompilation.

Durchwegs dienen Themen und Orte aus dem eigenen Lebensund Erfahrungszusammenhang als Inspirationsquelle und Handlungsfeld. Das Leben vor allem junger Menschen in Österreich – vorwiegend in der Provinz – liefert den roten Faden, persönliche und soziale Nähe dringt spürbar durch jedes Bild. Man spricht zwar dieselbe Sprache, vielleicht einen anderen Dialekt, beobachtet und blickt aber schon aus der Distanz auf private, politische und sozialökonomische Verhältnisse.

Es ist die Konfrontation mit einer inszenierten Wirklichkeit, die hier in detailliert gestalteten, großteils semidokumentarischen Bildern ihre Entsprechung findet. Ein schonungsloser, durchaus humorvoller Streif- und Auszug einer Mentalitäts-, Generationsund Sozialgeschichte, die zutiefst „österreichisch“, aber „österreichisch“ allein nicht ist. Während Der Ball, Wochenend und Ab morgen wird sich alles ändern im Rahmen der Ausbildung entstanden sind – bei Seidl führte der Film sogar zu seinem vorzeitigen Austritt aus der Wiener Filmakademie –, zählen Jugendliche und Freistadt zu den Ausnahmeproduktionen des ORF der 70er.

Unter dem sprechenden Titel Vielgeliebtes Österreich produzierte man zwischen 1975 und 1977 vierzehn einstündige Porträts, deren Schwerpunkt einzelne Regionen in den unterschiedlichen Bundesländern bildeten. Die titelgebende Kleinstadt Freistadt war der Geburtsort des Regisseurs Fritz Lehner – und eine der wirtschaftlich schwächsten Grenzregionen Österreichs, die mit hoher (Jugend)Arbeitslosigkeit und Abwanderung zu kämpfen hatte. Im Kontrast zu der gegenwärtigen (Re)Präsentation der Provinz in Kino und TV führte der Film nach der Ausstrahlung zu heftigen Protesten, vorwiegend aus den Reihen der konservativen Politik, und reiht sich geschmeidig in eine meist abstruse – noch ungeschriebene – „Geschichte der ORF-Skandale“ ein.

Peter Patzaks Jugendliche hingegen wurde außerhalb jeglichen Sendungskontextes realisiert, aber auch zu einem Zeitpunkt, als sich das Fernsehen selbst als Talentschmiede verstand und für viele Filmemacher – und wenige Filmemacherinnen – ein zuverlässlicher Kooperations- und Produktionspartner darstellte. Es ist Zeit, diese Filmjuwele einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Viel zu lange standen sie im Abseits der österreichischen Filmgeschichte. Obwohl sie ein nicht zu unterschätzender Teil eben genau jener sind.

Dietmar Schwärzler, Medienvermittler und freier Kurator, Mitarbeiter von sixpackfilm