Immer noch gehört der MBA zur Krone der Business-Ausbildungen. Die Konkurrenz zwischen den Anbietermärkten USA und Europa steigt.

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Der europäische MBA-Markt wächst - und wie. Wurden im Jahr 1999 insgesamt 220 MBA-Programme angeboten, so waren es im Jahr 2004 immerhin schon 400. In derselben Zeitspanne - zum Vergleich - stieg die Zahl der angebotenen MBAs im Raum Asia/Pacific von 50 auf 120 und in Nordamerika (inklusive Kanada) von 700 auf 750.

Jedes Jahr bringt die Pan-Europäische Presse- und PR-Agentur Noir sur Blanc eine Studie zum Thema heraus und widmet sich den Trends und Entwicklungen am postgradualen Weiterbildungsmarkt. Der Wettbewerb und der doch sprunghafte Anstieg an MBAs im europäischen Raum, so die Studie, werfe zahlreiche Fragen zu Ursachen, Wirkungen - etwa qualitativen - und Entwicklungen des Marktes auf. Die Debatte werde in Amerika wie Europa gleichermaßen intensiv geführt - die Suche nach einem einheitlichen Standard, der Studierenden wie Personalisten Anhaltspunkte abseits der Reputation geben könnte, gehe weiter. Für die aktuelle Studie, die im Jahr 2005 veröffentlich worden ist, wurden Dekane, Fakultätsmitglieder wie Studienprogrammleiter online und weltweit befragt. Aufgrund der Gewichtung des Rücklaufs ergab sich - weitestgehend - eine den europäischen und den amerikanischen MBA-Markt vergleichende Studie.

Aktuell verschieben sich die Marktanteile. War vor noch einigen Jahren die Dominanz des amerikanischen MBA-Marktes ein nicht zu diskutierendes Faktum, beklagen heute drei Viertel der US MBA-Anbieter einen Rückgang an Teilnehmern: minus 27 Prozent an der Darden University of Virginia, minus 26 Prozent an der Haas Business School of Berkeley oder minus 30 Prozent in Wharton (Pennsylvania). Hauptgründe liegen, so die für die Studie befragten Teilnehmer, an der Marktsättigung in den USA einerseits, seien aber u. a. auch unter den Auswirkungen des Patriot Act - den erschwerten Reisebedingungen in die USA - zu suchen (siehe Grafik Mitte). Reisten im ersten Halbjahr 2001 noch 201.000 Studierende ins Land ein, waren es in der ersten Hälfte des Jahres 2004 gerade mal 65.000.

In derselben Zeitspanne, so die Studie, schlug man in Europa - insbesondere in Großbritannien - den genau entgegengesetzten Weg ein: Die Einreise ins Land - besonders für höher Gebildete bzw. höher Auszubildende - wurde durch das so genannte "Highly Skilled Migrant Programme" erleichtert. Der bekannte Grund: Es mangelte an Top-Executives im Land. Ähnliche Entwicklungen gab es in Frankreich - die Folge war eine steigende MBA-Bewerberzahl u. a. aus den arabischen Ländern. Die Befragten gingen demnach mit großer Mehrheit davon aus, dass der europäische MBA-Markt ein im Wachstum befindlicher sei (77,9 Prozent) - nur 13 Prozent waren gegenteiliger Meinung.

Aber auch die "Marke MBA" sei einem Wandel unterzogen worden, so die Experten. Die ursprüngliche MBA-Definition - aufbauend auf einem ein- bis zweijährigen General-Management-Kurs auf der Basis langjähriger Berufserfahrung - sei heute nicht mehr gültig. Sowohl die Ausbildungsdauer als auch die geforderte Berufserfahrung unterlägen heute unterschiedlichen Schwankungen.

MBA wird kürzer

Im Bereich der Ausbildungsdauer seien drei Modelle hervorgestochen: Programme, die länger als 18 Monate dauern, Programme, die weniger als 18 Monate dauern (Beispiel INSEAD) oder "Teilzeit"-Programme, also berufsbegleitende Angebote. Besonders angestiegen seien die Modelle der Typen "Executive MBA" mit der Zielgruppe der 30- bis 40-Jährigen mit Karriereambitionen und der "Specialist MBA" (vergleichbar mit den etwa an der WU Wien als Professional MBA angebotenen Programmen).

Drei Viertel aller Befragten MBA-Anbieter tendieren, so die Studie, dazu, die Dauer der Berufserfahrung als Aufnahmekriterium zu verkürzen (siehe Grafik links). Die Mehrheit spricht sich für Berufserfahrung von weniger als fünf Jahren aus. Man nähere sich der aktuellen MBA-Hauptzielgruppe der 30-Jährigen weiter an - 85,8 Prozent aller MBA-Studierenden aller Programme seien zwischen 24 und 35 Jahren alt, die Gruppe der rund 40-Jährigen schwinde zusehends.

Ansätze, wonach ganz auf Berufserfahrung in den MBA-Aufnahmekriterien verzichtet werden sollte, lehnen die meisten der Befragten ab: Der Argumentationsbogen spanne sich hier von "Qualitätssicherung" bis hin zu "Verrat an der Marke MBA", so die Studie. Faktum sei: Die MBA-Studierenden werden jünger und der Zulauf - im Wachstumsmarkt Europa - werde weiter steigen. Wäre noch vor rund zehn Jahren das MBA-Studium - aus unterschiedlichen, auch finanziellen Gründen - nicht in Erwägung gezogen worden, stelle sich das heute in einem völlig anderen Licht dar. Man rechne - wie gesagt - mit weiterem Zustrom: 77,9 Prozent der Befragten gaben Pläne zur Erweiterung ihres Angebotes an - auf unterschiedlichen Wegen (siehe Grafik rechts). Die Erweiterung der Aufnahmezahl sei, so die Studie, vor allem in Europa von wirtschaftlicher Notwendigkeit, die Eröffnung neuer Standorte außerhalb der eigenen Landesgrenzen - zwar mit nicht unerheblichen Investitionen verbunden - könnte sich, so die Studie, weiter fortsetzen und wiederum neue Perspektiven eröffnen.

US-Reaktionen

Auch zahlreiche US-Anbieter ziehen immer öfter die Eröffnung neuer Standorte im Ausland in Erwägung, um sich somit auch den "Folgen" des Patriot Act ein wenig zu entziehen. Auch sei es - so die Angaben der Befragten in den USA - schwierig, in einem gesättigten Markt neue Programme zu integrieren und auch am strukturellen Aufbau Veränderungen vorzunehmen. Zwar stimmen die amerikanischen Anbieter - angesprochen auf den zunehmenden europäisch-amerikanischen Wettbewerb - zu 70 Prozent zu, aber nur 22,1 Prozent sehen dabei ihre eigenen Programme "in Gefahr", so die Ergebnisse der Studie. Ein nicht unerheblicher Teil der Befragten sehe wohl den aktuellen Wettbewerb als "vorübergehende Erscheinung", so die Experten von Noir sur Blanc. Andere wiederum argumentieren damit, ohnedies nur am lokalen Markt zu rekrutieren.

Interessant ist, dass alle MBA-Anbieter - sowohl europäische als auch amerikanische - verstärkt auf ihre Alumni und deren Netzwerke setzen, wenn es um die Verbreitung ihrer Marke geht. 90,7 Prozent sehen diese "Verbindungen" als wichtigsten Multiplikator in Sachen Rekrutierung.

Und: E-Learning werde - so die Befragten - auch am MBA-Anbietermarkt mehr an Bedeutung zulegen. Zwar werde aktuell noch an Modellen gefeilt, 76,2 Prozent der Befragten aber glauben an einen starken bis sehr starken Wachstum in diesem Segment. Die Nachfrage werde unter anderem auch deshalb steigen, sind sich die Experten eins, weil immer weniger sich für eine MBA-Ausbildung Job-Pausen gönnen, respektive "Zeit freischaufeln" können und möchten. (Heidi Aichinger/DER STANDARD Printausgabe, 7./8. Oktober 2006)