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Das strahlende Antlitz einer verwahrlosten Politik: Matthias Kleinert (Projektion links) als "Peter Schmeichel".

Foto: APA/Aumüller
Darmstadt - Schmeichel heißt der Mann: Peter Schmeichel. Hat die Frisur des Rechtspopulisten Pim Fortuyn, das Schlangenlächeln eines Silvio Berlusconi, die Mediengewandtheit eines Jörg Haider und hört bevorzugt Rammstein. Sein Selbstbewusstsein, seine Macht fußen nicht in den demokratischen Verhältnissen im Staate Dänemark - das mit den Namen der dänischen Fußballeuropameister von 1992 regiert wird - sondern auf martialischen Symbolen, auf Gewalt und einem Mannestum, das dem braunen Untergrund aus Blut und Boden entspringt. Diesen Archetypen des Faschismus stellt Matthias Kleinert mit den Worten von Robert Menasse im Hessischen Staatstheater Darmstadt auf die Bühne.

Das Paradies der Ungeliebten, das wegen des Ungeliebtseins am Burgtheater seinen Weg hinaus in die Vieldeutigkeiten der europäischen Rechten tragen musste, ist das erste Stück des Theaterexilanten Menasse - und es ist gut. Die Sprache ist geschliffen und wird auf den Punkt gebracht. Dennoch lässt sich ausmachen, dass hier ein Neuling das Metier erprobt. Die Personen neigen mehr zur Ideologie als zum eigenen, unverwechselbaren Charakter, und auch wenn Menasse die Monologe, in denen sie ihr Innerstes offenbaren, mit prächtigen Arabesken schmückt, so zeigen sie doch auch das Zutrauen des Essayisten in die erklärende Kraft der Worte.

Über diese hinaus erscheinen die Figuren als graue Politiker-Masse, sie sind Männer, die Großes wollen und sich über die Kleinheit ihrer Möglichkeiten täuschen. Wie im wahren Leben kommt auch im Paradies den Frauen die entsprechende Ego-Aufbauarbeit zu. Dr. Pia Piechnik (Karin Klein), Büroleiterin des Vizekanzlers, stützt Claus Christiansen (Tom Wild) nach Kräften und auch an den Stellen, wo der Mann sich seiner Manneskraft gewiss wird. Hanni Vilfort (Gabriele Drechsel) ist etwas gefühliger im Umgang mit Kanzler Povlsen (Harald Schneider), aber ihre Businesskleidung legt auch sie ab.

Im Innern des Innersten der Politik stellt Bühnenbildner Stefan Heyne auf einer Drehbühne Baumstämme zwischen Spiegelwände, hier hausen die erotischen Wünsche des Urviechs im Politiker. Beizeiten schließen sich darüber die vertikalen Lamellen. Einen äußeren Kreis bildet die Bar, hier hockt die politische Elite auf Hockern mit einer Leblosigkeit, als habe Edward Hopper sie dorthin gesetzt. Dieses Innere verbarg sich zunächst unter einem Quader, der mitsamt einer Banderole die staatstragende Fassade demonstrierte. Brian Laudrup, der Journalist, recherchiert hinter dieser Fassade, und Andres Manz zeigt ihn, den Juden, als einen abgehetzten Dauerverfolgten.

Auch die anderen, Politiker wie Helfer, bleiben in der Regie von Hermann Schein in der Schwebe. Schein lässt in den Zwischentönen die Spannung entstehen, die seine Inszenierung trägt, und zeigt dennoch das Eindrückliche, den kleinen Kanzler mit den großen Boxhandschuhen, seinen Berater (Hans Matthias Fuchs) wie aus einem Gewerkschaftshandbuch, den Opportunisten Lars Olsen (Aart Veder), der ideologiefrei um einen Posten schachert. Der letzte Satz des Stückes, "Der Rest ist: Schweigt!" bedeutet nach dieser Aufführung keinen Imperativ für den Autor. (Ulrike Krickau aus Darmstadt/ DER STANDARD, Printausgabe, 9.10.2006)