Budapest - Bei einer neuen Demonstration in Budapest haben am Sonntagabend erneut etwa 20.000 Menschen den Rücktritt des sozialistischen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurcsany gefordert. Das berichtete die ungarische Nachrichtenagentur MTI. Zu der Kundgebung vor dem Parlament kamen jedoch deutlich weniger Demonstranten als an den Vorabenden.

Die Proteste dauern seit drei Wochen an. Auslöser war die Veröffentlichung einer parteiinternen Rede Gyurcsanys. Darin hatte der Ministerpräsident eingeräumt, das Volk belogen zu haben, um die Parlamentswahl im April 2006 zu gewinnen.

Neues Tonband

Unterdessen tauchten neuerlich Tonbandaufnahmen von internen Besprechungen des Vorstands der Regierungspartei MSZP (Sozialdemokraten) auf; diese wurden dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugespielt. Die ungarische Ministerin für Selbstverwaltungen und Gebietsentwickelung, Monika Lamperth, hat sich darüber am Sonntagabend empört gezeigt. Der jüngste Mitschnitt von einer Rede, die sie am Samstag hinter verschlossenen Türen gehalten hatte, sei "illegal und manipuliert" wieder gegeben worden, klagte Lamperth.

Lamperth hatte am Samstag bei der Sitzung auch über die Verteilung von EU-Fördermitteln gesprochen. Die Aufnahme sei illegal entstanden und so zusammen geschnitten worden, dass "sie die wahren Absichten der Regierung verzerrt", kritisierte Lamperth. Die Regierung würde an der Modifizierung des Gesetzes für Territorialentwicklung arbeiten: Dies sei erforderlich sei, da der oppositionelle rechtskonservative FIDESZ-Ungarischer Bürgerverband nicht jenen Empfehlungen zustimmte, die über die Schaffung der regionalen gewählten Selbstverwaltungen verfügen und eine Zwei-Drittel-Mehrheit erfordern.

EU-Fördermittel

Damit hätte FIDESZ die Nutzung der EU-Fördermittel gefährdet. Die Regierung werde im Interesse der möglichst umfassendsten Nutzung der EU-Gelder dem Parlament so bald wie möglich ihre Vorschläge unterbreiten, erklärte Lamperth. Es ginge nicht um die Umgestaltung der geltenden Machtverhältnisse, sondern um die genaue Festlegung der Verantwortungsverhältnisse.

Der FIDESZ-Fraktionschef Tibor Navracsics erklärte, die "Sozialisten wollen sich selber das Geld zuteilen". Damit wolle die Regierung nicht FIDESZ bestrafen, sondern die Menschen, die FIDESZ wählten. Monika Lamperth hatte in der veröffentlichten Rede das Ergebnis der Kommunalwahlen bewertet, welche die Sozialisten verloren. Laut Lamperth könne mit einer Gesetzmodifizierung erreicht werden, dass die Regierungsparteien ein größeres Mitspracherecht bei der Verteilung der Gelder für Gebietsentwicklung erhalten.

Damit könnte verhindert werden, dass der rechtskonservative oppositionelle FIDESZ-Ungarischer Bürgerverband die Verteilung der Gelder zufalle. Dafür gebe es laut Lamperth auch eine reale Grundlage, da FIDESZ im Parlament nicht für das Gesetz der regionalen gewählten Selbstverwaltungen gestimmt und damit die Frage weiter der staatlichen Verantwortung zugewiesen hatte.

Vor drei Wochen hatte das ungarische Radio einen geheimen Mitschnitt einer internen Rede des sozialistischen Ministerpräsidenten Ferenc Gyurscany gesendet, in der dieser teilweise mit vulgären Ausdrücken zugab, das Volk belogen zu haben, um die Parlamentswahl im April 2006 zu gewinnen. Der Vorfall führte zu einer immer noch andauernden innenpolitischen Krise mit zeitweise gewaltsamen Protesten. (APA)