Berlin - Der Europäischen Union werden nach Einschätzung von Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vorerst keine neuen Länder beitreten können. Europa müsse "sagen, wo seine Grenzen liegen", sagte Merkel im Podcast auf ihrer Internetseite, in dem sie am Samstag Schwerpunkte der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2007 vorstellte. "Wir haben Beitrittsverhandlungen mit Kroatien und auch mit der Türkei, aber wir wissen auch: Wir werden auf absehbare Zeit keine weiteren Mitgliedstaaten aufnehmen können." Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei müssten "ergebnisoffen" geführt werden.

Diskussion mit Barroso

Zur Vorbereitung werde die deutsche Bundesregierung am Mittwoch in Berlin mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in einer Kabinettssitzung über die Schwerpunkte des am 1. Jänner beginnenden Ratsvorsitzes diskutieren, kündigte Merkel an. Die deutsche Präsidentschaft falle in eine Zeit, in der viele Bürger skeptische Fragen an die EU stellten. Merkel nannte dabei als Beispiele Fragen nach einem Zuviel an Bürokratie, nach der Fähigkeit Europas zum Schutz seiner Bürger und auch nach der Erweiterung.

CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla hat unterdessen die ablehnende Haltung seiner Partei zu einem türkischen EU-Beitritt bekräftigt. Unmittelbar nach dem Besuch Merkels in Ankara sagte er der "Rheinischen Post", die Türkei habe zwar in den vergangenen Jahren Fortschritte erzielt. Es gebe aber viele Beispiele, die verdeutlichten, dass sie nicht beitrittsfähig sei.

"Wie kann ein Land Mitglied der Europäischen Union werden, in dem zum Beispiel christliche Kirchen diskriminiert werden?", fragte Pofalla und fügte hinzu: "Für die CDU bleibt es dabei: Wir wollen eine privilegierte Partnerschaft und keinen EU-Beitritt der Türkei." Dieser würde nach seiner Auffassung vor allem auch die Integrationskraft der Europäischen Union überfordern.

Der CDU-Politiker warb zugleich für einen offenen Dialog mit dem Islam. Dazu gehöre aber auch, Wahrheiten offen anzusprechen. "Wenn nicht gesagt werden darf, dass religiös motivierte Gewalt heute vor allem ein Problem des Islam ist, dann ist das beunruhigend. Und wenn Christen von Muslimen als 'ungläubig' bezeichnet werden, ist das eine Form der Beleidigung, über die gesprochen werden muss", wird Pofalla zitiert.

SPD-Chef Beck: Faire Chance für Türkei zu EU-Beitritt

Im Streit um einen möglichen EU-Beitritt hat der SPD-Vorsitzende Kurt Beck eine "faire Chance" für die Türkei gefordert. Er warnte CDU und CSU in einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" davor, Ankara bei seinen Bemühungen um eine Aufnahme des Landes in die Europäische Union vor den Kopf zu stoßen. "Es wäre ein verheerender Fehler, wenn wir der Türkei die EU-Tür vor der Nase zuschlügen", wird Beck zitiert.

Ausdrücklich wandte sich der SPD-Chef gegen Aussagen aus CDU und CSU, es könne für die Türkei nur eine privilegierte Partnerschaft geben, "also nur die Katzenbank - egal wie sehr sich die Türkei bemüht". Dies sei falsch, es sei auch nicht die Politik der Bundesregierung, fügte Beck hinzu. Die SPD habe sich dafür eingesetzt, an den Beitrittsverhandlungen festzuhalten. "Wir werden weiter darauf achten, dass die Türkei eine faire Chance hat, um EU-Mitglied zu werden. Freilich muss sie sich um Reformen bemühen", sagte Beck. (APA/AFP/AP)