Egal ob klassisch, traditionell oder modern, Musik ist überall. Opern- und Kirchenmusik beim "Festival Lyrique en mer" auf der Insel Belle-Ile- en-Mer bespielt zauberhafte Orte wie eine Zitadelle, das Schloss Fouguet und die zahlreichen Kirchen der Insel. Es brodelt und jubelt bei Openair-Rockfestivals wie in Carhaix, wo das größte Musikfestival Europas stattfindet: "Les Vieilles Charrues", bei dem vor bis zu 150.000 Begeisterten Haudegen wie Johnny Hallyday auftreten. Und bei den Folk-Festivals hört man die traditionellen Klagelieder, die "gwerz" (Balladen) oder "Kan ha Diskan" (Seemannslieder im Wechselgesang).
Nächtliche Schalmeien
Da wird g'sungen und g'spielt, was die Stimmen der 8000 Sonneurs und der Klang der bretonischen Pipebands, "bagadoùs", mit ihren Binious und Bombarden hergeben. Jeder ist eingeladen mitzumachen und jeder, der bei einem Musikfest dabei ist, kann gar nicht anders als mitzutanzen und mitzusingen, dass die Zelte wackeln: Bei einem "Fest-Noz" zum Beispiel, wo man in Zelten mit zwei gegenüberliegenden Bühnen einmal zu diesem die Nacht verkürzenden Dudelsack-Schalmei- Ziehharmonika-Grüppchen tanzt und dann zu jenem Chor mitspringt und mitsingt. Die Künstler tragen keine Trachten mehr, weil sie "Alltagskultur" betreiben, wie sie sagen, und keine Tourismusfolklore. Und so reihen sich Einheimische und Gäste bunt gemischt in die Kreis- und Kettentänze, jeder kann es irgendwie, es ist bunt, es ist laut und heiß, und es macht Spaß.
Wenn man Glück hat, trifft man auch noch einen der "Schalmei- Stars", wie Jean Baron oder Christian Anneix, die diesem alten und nur mit viel Luftkraft zu spielenden Instrument, einem Vorläufer der Oboe, fast magische Klänge entlocken, eher schrill, nasal und sehr mittelalterlich.
Keine Zeltfestfolklore
Beim "Fest-Deiz" am nächsten Tag, wird gerne mittags das (zu Recht, wie man dann schmeckt) gefeierte Spanferkel unter Musikbegleitung durch das voll besetzte Zelt getragen: ein Zeltfest der anderen Art. Wenn bei uns dumpf Bier hineingeschüttet und fette Stelzen oder Hendln hineingestopft werden und der Aggressionspegel mit jedem Krügel steigt, werden in der Bretagne verschiedene Vorspeisen geboten, und selbstverständlich auch zwei Nachspeisengänge. Man ist zwar auch feuchtfröhlich unterwegs, aber mit Betonung auf fröhlich, und nach dem Essen wird nicht stier blickend weitergetrunken, sondern man strömt nach draußen zu den verschiedensten Spielen, die schon seit Jahrhunderten Zuschauer und Teilnehmer belustigen. Da werden Fässer nach oben gezogen, Heuballen in die Luft geschleudert, es wird gekegelt und beim Schlammfußball geferkelt, dass der Dreck spritzt, und dazwischen packt jeder, der eines hat, sein Instrument aus und spielt darauf. So sieht und hört man kostbare irische Harfen, Drehleiern und Dudelsäcke, man tanzt und lacht.
Gralwanderungen
Die Bretagne besteht natürlich nicht nur aus Zelten und Festgeländen. Wenn man genug von Lärm und Lachen hat, kann man geheimnisvolle keltische Steinmonumente oder die märchenhaften Sagenstätten, Wälder und Seen besuchen, kann auf den Pfaden von Brocéliande den Rittern der Tafelrunde und dem Heiligen Gral nachspüren. Am besten zu Fuß, wenn man die Landschaft wirklich kennen lernen will. Und ohne etwas schleppen zu müssen: Das Gepäck wird einem von einer "Gîte" (Herberge, des Öfteren mit allem Pipapo ausgestattet) zur nächsten transportiert. Dafür gibt es genaue, gut beschriebene Pläne und Wanderkarten.
Doch auch motorisiert lässt es sich in der Bretagne herrlich wandern, von einem kleinen Dörfchen oder Städtchen zum nächsten. Mit Steinhäuschen und Fachwerkbauten, oft schief, oft bunt und uralt. In der Bretagne zahlt man übrigens keine Straßenmaut. Das hat man der "Kleinen Königin", Anna de Bretagne, zu verdanken, deren Land durch erzwungene Heirat 1491 an Frankreich fiel. Sie soll gesagt haben: "Mein Land gebe ich her, aber meine Leute nicht", und damit und fürderhin den Straßenzoll verboten haben. Auch Salz war steuerfrei, weshalb die Butter noch heute gesalzen ist - vielleicht auch, weil sie pikanter schmeckt, aber in der Bretagne liebt man Geschichte und G'schichterln.
Wer Wasserstraßen vorzieht, kann sich auch ein Hausboot mieten (keine sehr billige Angelegenheit), auf dem man durch ältere und neuere Kanäle - zur Auswahl hat man in der Bretagne etwa 600 Flusskilometer - tuckert, in Schleusen flussauf und flussab steigt, Schlösser und malerische Städtchen besucht oder zum Beinebewegen mit dem mitgebrachten Fahrrad ins Landesinnere vorstößt. Und zwischendurch in kleinen Restaurants am Flussrand einkehrt oder fürs Picknick einkauft: bretonischen Käse, Salami oder unzählige andere bretonische Würste. Die kommen in die salzigen Crêpes, also die Galettes.
Mit dem Einkaufen (und dem Erfragen von Wegen) ist das allerdings so eine Sache: Deutsch wird nur wenig gesprochen, Englisch detto. Man sollte sich zumindest ein gutes Dictionnaire mitnehmen. Oder die Reise gleich zum Anlass nehmen, sein Französisch wieder aufzufrischen: Die Bretonen sind dabei, wie auch sonst, äußerst hilfsbereit.
Asterix' Naturpark