Montag: DER STANDARD
Max Kumpfmüller möchte wissen, ob es zwischen Mozart und Casanova in Prag zu einer Begegnung gekommen ist.

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Ein Treffen zwischen Wolfgang Mozart und Giacomo Casanova ist historisch zwar nicht verbürgt, liegt aber im Bereich des Möglichen. Nachdem Casanova um den 25. Oktober 1787, aus Dux kommend, in Prag eintraf, ist es mehr als wahrscheinlich, dass er die Uraufführung von Mozarts Oper Don Giovanni am 29. Oktober im Prager Ständetheater besucht hat. Das Multitalent Casanova war ja nicht nur als "Broker", Direktor der französischen Lotterien und politischer Unterhändler tätig, sondern auch als Dramatiker, Romancier und Musiker. Außerdem lebte Casanova seit 1785 als Bibliothekar auf Schloss Dux (Duchcov), 70 Kilometer nordwestlich von Prag, und war von daher über die Vorgänge in der Residenzstadt bestens informiert. So gesehen würde es eher überraschen, wenn er sich ein Ereignis wie die Uraufführung einer Mozartoper hätte entgehen lassen. Für ein Treffen zwischen Mozart und Casanova spricht auch, dass sich Letzterer lebhaft für die Gattung Oper interessierte und seit Langem mit Lorenzo da Ponte, dem Librettisten des Don Giovanni, bekannt war. Aus Anlass der Don Giovanni- Premiere kann es zu keiner Begegnung zwischen den beiden gekommen sein, da Lorenzo da Ponte bereits etliche Tage vor der Uraufführung nach Wien zurückkehren musste, um dort die Aufführung der Salieri-Oper Axur, Re d’Ormus vorzubereiten, deren Libretto ebenfalls von ihm stammte. Da sich Casanova in seinen Briefen wiederholte Male wenig schmeichelhaft über da Ponte geäußert hat, ist ohnehin fraglich, ob dieser großen Wert auf ein Zusammentreffen mit Mozarts Librettisten gelegt hätte. Bezweifelt darf auch werden, dass da Pontes Text bei Casanova Gefallen fand, wird doch in der Oper ein "Wüstling" am Ende seiner "Laufbahn" porträtiert. Gut möglich also, dass sich der 62-jährige Casanova in der einen oder anderen Szene als alternder Frauenheld wiedererkannte, was alles andere als schmeichelhaft gewesen sein dürfte. Nicht vergessen sollte man in diesem Zusammenhang, dass Don Giovanni – zumindest aus der Sicht des Titelhelden – in erster Linie eine Oper des Scheiterns ist und dem Don im Verlauf der Handlung keine einzige "Eroberung" mehr gelingt. (Kurt Palm/ ALBUM/DER STANDARD, Printausgabe, 07./08.10.2006 )