Bundespräsident Heinz Fischer hat auch am zweiten Tag seines Italienbesuches das heikle Thema Südtirol besprochen – und dabei die Ortstafelfrage in Kärnten thematisiert. Bei seinem Treffen mit seinem italienischen Amtskollegen, Staatspräsident Giorgio Napolitano, sei von ihm selbst die Frage der Schutzmacht Österreichs für die deutschsprachige Bevölkerung in Südtirol angesprochen worden. Napolitano erkundigte sich nach dem im österreichischen Parlament liegenden Vier-Parteien-Entschließungsantrag, der vorsieht, dass die Schutzmachtfunktion in die Verfassung aufgenommen wird. Wie schon bei seinen Gesprächen zuvor mit dem italienischen Ministerpräsidenten verwies Fischer darauf, dass dieser _Antrag zwar vorliege, aber aus der letzten Legislaturperiode stammt und daher seine Wirkung in der neuen Parlamentsperiode, die am 30. Oktober beginnt, verlieren werde.

Deutliche Worte

„Ich fühle mich nicht wohl, wenn ich zugeben muss, dass wir zwar exakt sind bei der Einhaltung der Minderheitenrechte in Südtirol, aber in Kärnten noch ein Defizit haben“, gestand Fischer. „Ich bin unzufrieden, dass wir das in Kärnten nur teilweise erreicht haben.“ In Südtirol wie in Kärnten müsse die Vertragstreue die Basis sein.

Ebenfalls Thema beim Gespräch war die Frage der Begnadigung von Südtirol-Aktivisten, die derzeit unter anderem nicht nach Italien einreisen können. Napolitano versicherte Fischer nach dessen Angaben, dass er sich persönlich dieses Themas angenommen habe und mit dem italienischen Justizminister Kontakt aufnehmen werde. „Es wäre ein Fehler, zu hohe Erwartungen zu wecken“, meinte Fischer, aber er habe den Eindruck, dass sich Napolitano persönlich engagiere, und außerdem seien seine Begnadigungsrechte zuletzt gestärkt worden. Für Fischer ist wichtig, dass das „breite Beziehungsfeld“ zwischen Österreich und Italien aber nicht nur an den Pararmetern „Schutzmacht und Begnadigung“ gemessen wird.

Politische Parallelen

Die beiden Präsidenten tauschten sich in dem 45-minütigen Gespräch auch über die jeweilige innenpolitische Lage aus. Napolitano erzählte, dass er eine seiner Aufgaben derzeit in der Beruhigung der beiden politischen Lager sehe, die durch den Wahlkampf erhitzt seien. Er investiere in die Aufrechterhaltung der politischen Gesprächskultur. „Sie können sich vorstellen, dass mir manches sehr vertraut vor kam“, meinte Fischer schmunzelnd. (Barbara Tóth aus Rom, DER STANDARD, Printausgabe 7./8.10.2006)