Nachdem das BZÖ im Wahlkampf massiv gegen Bettler zu mobilisieren versucht hatte, stimmte es nun in Fürstenfeld überraschend mit Rot und Grün gegen die Bettlerverordnung der ÖVP.

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Fürstenfeld/Graz – "Eine Zahl werden Sie von mir nicht hören", quittiert der Fürstenfelder Bürgermeister Werner Gutzwar (ÖVP) die Frage des STANDARD, wie viele Bürger sich eigentlich bei ihm über die Bettler in der Stadt beschwert hätten. Jedenfalls sei es für den Politiker, der im Zivilberuf Polizist ist, "eindeutig feststellbar, dass die Bevölkerung Bettelei ablehnt".

Wie berichtet, hat die von Thermalquellen umgebene Stadt im Sommer eine Verordnung gegen "passives Betteln" beschlossen, die von Rechtsexperten als verfassungswidrig eingestuft wird. Und auch damals hörte irgendjemand eine Zahl nicht – oder nicht richtig. So musste am Mittwochabend die Verordnung erneut beschlossen werden, weil die fürs Betteln zu zahlende Verwaltungsstrafe statt mit 218, im Sommer mit satten 280 Euro festgesetzt wurde. Doch diesmal ging die Zustimmung für die von der ÖVP betriebene Verordnung mit nur zwölf zu elf Stimmen denkbar knapp aus. Erstens verließ ein ÖVP-Mandatar den Raum, zweitens stimmte das BZÖ völlig überraschend mit SPÖ und Grünen gegen die Verordnung. Noch in der Vorwoche hatten die wahlkämpfenden Orangen in Graz Unterschriften gegen "organisierte Bettlerkriminalität" gesammelt.

"Menschenunwürdig"

Während der Bürgermeister auch über die Anzahl der Bettler, die früher von der Slowakei nach Fürstenfeld kamen, schweigt – laut SPÖ und Grünen waren es vier – weiß Gutz-war, dass seit der Verordnung genau ein Bettler in Fürstenfeld gesehen wurde. "Es war keiner mehr da, mit Ausnahme von einem, der beim Kirchgang vor der Kirche gesessen ist." Da aber die Verordnung wegen der falschen Zahl nicht in Kraft war, wurde nicht "eingeschritten". Gutzwar glaubt, dass jene Fürstenfelder, die sich gegen bettelnde Roma aussprechen, "menschenunwürdiges Betteln einfach nicht für eine nachhaltige Lösung der Probleme der Roma halten". Zudem sei man gegen organisiertes Verbrechen.

Wie er organisiertes Betteln erkenne, beantwortet Gutzwar mit: "Es ist richtig, dass es nicht leicht ist, das Organisierte tatsächlich nachzuweisen. Das ist eine Mutmaßung". Ganz sicher ist sich hingegen das Personenkomitee "Helfen statt verbieten", das sich nun mit dem Grazer Armenpfarrer Wolfgang Pucher, Grünen, Roten und anderen Bürgern von Fürstenfeld formierte, dass Fürstenfeld "von der Thermenhauptstadt zur Hauptstadt der Kaltherzigkeit" geworden ist. Komitee-Sprecher Johann Raunikar fügt hinzu: "Das örtliche Gemeinschaftsleben ist durch das sporadische Erscheinen von vier Menschen, die betteln, keineswegs gestört". Der ehemalige Stadtpfarrer von Fürstenfeld, Josef Fleischhacker, ebenfalls Mitglied des Komitees, legte nun seine Ehrenbürgerschaft der Stadt zurück: "Weil dies mit einer menschlichen Stadt nichts mehr zu tun hat." (Colette M. Schmidt, DER STANDARD - Printausgabe, 6. Oktober 2006)