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Erleichterung: Kanzlerin Merkel (CDU) präsentiert mit Kurt Beck (SPD) und Edmund Stoiber (CSU) die schwer erstrittene Einigung über eine deutsche Gesundheitsreform.

Foto: EPA/Hanschke
Nach monatelangem Gezerre haben sich Union und SPD in Deutschland auf eine Gesundheitsreform geeinigt. Deren Kernstück tritt aber erst 2009 in Kraft. CSU-Chef Edmund Stoiber bleibt ohnehin skeptisch und betrachtet die Beschlüsse zunächst „unter Vorbehalt“.

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Zum Schluss war noch einmal eine Marathonsitzung nötig. Doch dann konnte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wenige Stunden vor ihrem Abflug in die Türkei die Einigung verkünden und auch gleich eine Überraschung: Der Gesundheitsfonds kommt nicht wie geplant 2008, sondern erst ein Jahr später, damit sich die Krankenkassen besser auf die Systemumstellung einrichten können. Den Rest der Reform hatte die Kanzlerin ja vor wenigen Wochen von Jänner auf April 2007 verschoben.

Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) machte jedoch gleich noch in der Nacht auf Donnerstag klar, dass das allerletzte Wort für ihn noch nicht gesprochen ist: „Es gibt noch eine ganze Reihe von Wirkungen, die wir prüfen müssen.“ Dabei können er und sein baden-württembergischer Amtskollege Guenther Oettinger (CDU) zumindest beim neuen Finanzausgleich im geplanten Gesundheitsfonds zufrieden sein. Von den reichen Kassen im Süden (Bayern, Baden-Württemberg) werden jährlich höchstens 100 Millionen Euro mehr als derzeit in den ärmeren Norden fließen. Das ist ein Zugeständnis an die Skeptiker Stoiber und Oettinger.

„Es ist ein guter Kompromiss“, findet hingegen SPD-Chef Kurt Beck – obwohl sich die SPD vor allem bei den Privatkassen nicht durchsetzen konnte. Sie werden nicht an der Finanzierung des Gesundheitsfonds beteiligt. Patienten können ihre Altersrückstellungen nur mitnehmen, wenn sie in eine andere private Kasse wechseln, aber nicht bei Umstieg auf eine gesetzliche.

Vernichtend ist die Kritik von Opposition und Verbänden. „Das ist eine Verhohnepiepelung der Wähler. Es hat mit Handlungsfähigkeit überhaupt nichts zu tun, wenn man um jeden Preis an einem faulen, vermurksten Kompromiss festhält“, klagt Grünen-Chef Reinhard Bütikofer. DGB-Chef Michael Sommer kritisiert, dass mit der möglichen Zusatzprämie das Risiko von höheren Kosten auf die Versicherten abgewälzt werde. Die Krankenkassen werfen der Regierung vor, den Wettbewerb zu verzerren, weil Kassen mit ärmeren und chronisch Kranken gar nicht um die Einhebung der Zusatzprämie herumkommen werden. (Birgit Baumann aus Berlin/DER STANDARD, Printausgabe, 6.10.2006)