Ein Klassiker feiert 50. Geburtstag: Carles und Ray Eames Modell 670 & 671.

Foto: Eames Office/Vitra
Foto: Eames Office
Wien - Billy Wilder liebte es nicht nur witzig und geistreich, sondern vor allem auch bequem. Und er wusste Powernaps zu schätzen. Zu diesem Zweck entwarfen Charles und Ray Eames 1968 Model Nummer ES 106: Eine Liege, die so schmal war, dass Wilder die Arme über der Brust verschränken musste. Schlief er wirklich fest ein, fielen die Arme herab, und er erwachte.

So steht es in 1000 Chairs geschrieben, einem jener Bücher, die die wichtigsten Designklassiker dokumentieren. Ob dieses Modell aus der schieren Notwendigkeit entstand, Wilders Nickerchen im Modell Nummer 670 zeitlich einzuschränken, ist nicht überliefert. Denn auch den am 14. März 1956 im amerikanischen Fernsehen der Öffentlichkeit vorgestellten Lounge Chair - kombiniert mit dem zugehörigen Ottoman war er flugs zur wohl komfortabelsten Liegestatt der Designgeschichte umfunktionierbar - entwarfen Eames für den amerikanischen Regisseur und Produzenten österreichischer Herkunft.

Eames verband eine langjährige Freundschaft mit Wilder und er sollte die Entstehung des Sessel gewissermaßen als Muse und prototypischer Nutzer begleiten. "Der Lounge Chair, so weiß man von Wilder, war von da an sein Lieblingsplatz", sagt Vitra und ergänzt "wie ihm ist es seither vielen ergangen". "Warum machen wir nicht eine zeitgemäße Version des alten englischen Clubsessels?", mit dieser Frage leiteten Charles und Ray Eames den mehrjährigen Entwicklungsprozess des späteren Klassiker ein.

Die Arbeiten am Prototyp begannen bereits 1940 im Rahmen des vom Museum of Modern Art ausgeschriebenen Wettbewerb "Organic Design in Home Furnishing". 1945/46 entwickelten Charles und Ray Eames die Idee weiter, diesmal schufen sie eine Variante aus ineinander geschachtelten Teilen aus dreidimensional verformten, schichtverleimtem Sperrholz. Nachdem das Konzept gut zehn Jahre lang ruhte, gelangte es 56 mit dem Lounge Chair aus verformtem Sperrholz und lederbezogenen Polstern zur vollen Reife.

Seit damals wird Modell Nummer 670 produziert, in den USA von Herman Miller, in Europa von Vitra. Anlässlich des runden Geburtstages brachte Vitra eine limitierte Anniversary Edition auf den Markt. Die weltweit auf 999 Exemplare begrenzte Sammleredition ist bereits ausverkauft, in Österreich wechselten 19 Stück den Besitzer. Kostenpunkt rund 8000 Euro.

Die Ausführung nimmt auf die frühen Exemplare Bezug, als die Schalen noch aus Rio-Palisander gefertigt wurden, ein längst geschütztes Tropenholz, das in den 80er-Jahren von Kirschbaum abgelöst wurde. Die Geburtstagsedition ist aus speziell lackiertem Santos-Palisander - aus kontrolliertem Anbau - gefertigt. Die "0"-Nummer stand dieser Tage im Rahmen des europaweiten Festes im Mittelpunkt.

Als Location wählte Vitra die erste Adresse in Sachen Design auf Wiener Boden: das in der Gumpendorfer Straße beheimatete Team von Lichterloh. Rund um das Event hatten Dagmar Moser, Christof Stein und Markus Pernhaupt nicht nur viel Arbeit - etwa "alte" Lounge Chairs für den Verkauf zu akquirieren -, sondern auch jede Menge Spaß. Allerlei (Fach-)Prominenz lieferte dem Jubilar ein adäquates Geburtstagsständchen und trat vor die Linse.

Lichterloh bietet den Lounge Chair in verschiedenen Ausführungen und Herstellungszeiträumen in Preisklassen von 4500 bis zu 7500 Euro, etwa aus der Frühzeit der amerikanischen Produktionsserie. Im Auktionsbereich bietet sich im Dorotheum die nächste Möglichkeit, wenn am 14. 11. zwei Exemplare unter den Hammer kommen. Die Erwartungen für die in den 60ern von Vitra ausgeführten Lounge Chairs sind zurückhaltend mit je 3200 bis 3800 Euro bemessen. (Olga Kronsteiner / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.10.2006)