Besuch im Atelier der Künstlerin Amanda Sage: "Hier zu sein heißt, an einem Experiment teilzunehmen."

Foto: WUK
Das Kollektiv entscheidet jegliche Fragen: Probleme werden stets im Plenum diskutiert.


"Hier im WUK zu sein heißt nicht nur, einen Raum zu haben, sondern an einem Experiment teilzunehmen", versucht die Künstlerin Amanda Sage, die vor sechs Jahren aus den USA nach Wien kam, zu erklären, was das Besondere daran ist, eines der WUK-Ateliers zu benützen. Das "Experiment" hat sich nun im Laufe der vergangenen 25 Jahren detailliert entwickelt. Entstanden ist ein System, das sich, anstatt auf Hierarchien aufzubauen, syntagmatisch vernetzt und ausbreitet. Den Ausgangspunkt stellt dabei die autonome Organisation der einzelnen Bereiche (etwa Bildende Kunst oder Tanz und Performance) dar. Entscheidungen, von Aktivitäten und Investitionen bis hin zur Vergabe der fixen Räume an bestimmte Künstler, werden immer im Kollektiv innerhalb einer Gruppe getroffen und in einem monatlichen Plenum diskutiert. So auch disziplinarische Probleme: Hält sich jemand den gemeinschaftlichen Verpflichtungen fern, erklärt Susanna Rade, im WUK unter anderem verantwortlich für "Idee", Kunst und Medien, so gäbe es keine höhere Instanz denn die Gruppe, die urteilt. "Alles entwickelt sich aus dem Prozess heraus", meint Rade weiter - dass diese Prozesse oft sehr lange dauern, ist da logische Konsequenz. Die Effizienz des Vorgehens hinge oftmals auch von der Reflexionsbereitschaft der Gruppen ab, vorbildlich sei da etwa der Tanzbereich.

Reger Austausch

Reflexion bedeutet hier nicht nur, das eigene künstlerische Schaffen zu hinterfragen, sondern auch zu überlegen, was es bedeutet, genau hier im WUK kreativ tätig zu sein, zu proben und zu produzieren. Großer Wert wird daher auch auf den Austausch zwischen den einzelnen Gruppen und Bereichen gelegt.

Christine Baumann kam eben wegen dieses Austausches vor zwölf Jahren aus Deutschland ins WUK, sie wollte in einem großen Haus arbeiten, in dem Kommunikation stattfindet. Derzeit ist ihre "Kunstzelle" neben dem Hofeingang zu sehen, die wohl kleinste Ausstellung überhaupt. Gezeigt werden im Wechsel raumspezifische Arbeit sowohl hauseigener als auch eingeladener Künstler.

28 Ateliers stehen in der Währinger Straße dem Bereich Bildende Kunst zur Verfügung, außerdem mehrere Gastateliers. Die Künstler, die hier arbeiten, kommen aus unterschiedlichsten Ländern, derzeit etwa aus dem Sudan, Polen oder Russland.

Stephan Ortbauer führt im Erdgeschoß die Buchbinderwerkstatt - ein Zentrum für Forschung und praktische Übungen in diesem Metier. Ortbauer sammelt antike Materialien und Werkzeuge, Literatur zum Thema und arbeitet auch intensiv mit bildenden Künstlern zusammen.

Die unzähligen Querverbindungen zwischen den Disziplinen werden bei einem Rundgang durch die Ateliers und Werkstätten verdeutlicht: Bilderrahmen werden in der hauseigenen Holzwerkstatt hergestellt, die Kinder der Künstler besuchen die Schule im WUK.

Das Gelingen und Fortlaufen des "Experiments" wird diese Woche im Rahmen von "MAZE" gezeigt: Die Ausstellung erschließt die aktuellen Arbeiten direkt an ihren Produktionsstätten und lädt zum Gespräch mit den Künstlern. Täglich kann ab 16 Uhr flaniert werden, die Finissage erfolgt am Sonntag ab 19 Uhr. (Isabella Hager / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.10.2006)