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Klubobmann Cap überreicht Gusenbauer eine Torte mit einem Einser zur Feier des Wahlsieges.

Foto: Reuters/Bader
SP-Chef Alfred Gusenbauer drängt die ÖVP, sich an den Verhandlungstisch zu begeben. Man könne doch nicht so tun, als ob es keine Wahl gegeben hätte. Die Wähler hätten am Sonntag den deutlichen Wunsch nach einer Änderung der Politik ausgesprochen.

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What a difference a day makes: Das Stützpunktzimmer der SPÖ im Parlament, in dem die roten Funktionäre noch vor Kurzem einer sehr begrenzten Öffentlichkeit ihre Regierungspläne offenbarten, quoll beim ersten Auftritt Alfred Gusenbauers als präsumtiver Koalitionsverhandler förmlich über. Dabei hatte er lediglich von einer Präsidiumssitzung zu berichten, in der noch einmal der Wahlsieg beklatscht und das Verhandlungsteam für die Gespräche mit der ÖVP nominiert wurde.

Er habe ja durchaus Verständnis, wenn die ÖVP nun ihre Wunden lecke, aber irgendwann sollte Schluss damit sein, versuchte Gusenbauer die ÖVP zu einer schnelleren Gangart in Richtung Verhandlungstisch zu ermuntern. Auch akzeptiere er alle „Ideen und Vorstellungen“ der ÖVP, aber „man soll nicht so tun, als ob am Sonntag keine Wahl stattgefunden hätte“. Die SPÖ wird jedenfalls Verhandlungen mit der ÖVP aufnehmen, aber auch „mit allen anderen Parteien offen reden“, sagte Gusenbauer.

Er appellierte an die ÖVP, „das Wahlergebnis als den Wunsch der Wähler nach Veränderung zu begreifen und sich dieser Erwartung zu stellen“. Dann könnte man in einem „überschaubaren Zeitraum“ zu einer Regierungsbildung gelangen. Mit deutlichen Forderungen, die den zögerlichen Gesprächspartner zusätzlich verunsichern könnten, hielt sich der SP-Chef aber zurück.

In den zuletzt wieder strittigen Personalfragen hat sich laut Gusenbauer nichts geändert: Alexander Zach vom LiF bekommt wie versprochen seinen Sitz im Nationalrat, und der steirische Gewerkschafter Josef Muchitsch muss sich entscheiden: Entweder er nimmt das Mandat an oder er bleibt Vorsitzender der Gewerkschaft Bau und Holz. Beides werde es nicht geben, unterstrich Gusenbauer.

Für die SP-Frauenvorsitzende Barbara Prammer bewirkt der Wahlsieg eine historische Veränderung: Erstmals wird aller Voraussicht nach eine Frau zur Ersten Präsidentin des Nationalrates gewählt werden. Traditionell steht dieses Amt der stärksten Partei im Nationalrat zu, und traditionell folgen auch alle Abgeordneten dem Vorschlag der stärksten Partei. Die SPÖ wird bei der Sitzung am 30. Oktober Prammer vorschlagen, was dieser jetzt schon Freude macht: „Ich sehe darin eine große Herausforderung und ein klares Signal an die Frauen.“ Sie habe auch in der Amtsführung als Zweite Präsidentin bewiesen, dass sie objektive Distanz zu allen Parteien, auch der eigenen, wahren könne.

Die kommende Legislaturperiode soll auch von einer Stärkung des Parlamentarismus geprägt sein, kündigte Prammer an. Die Minderheitenrechte sollen gestärkt und damit die Rolle der Opposition aufgewertet werden, ergänzte Gusenbauer. Die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen als Minderheitenrecht habe jedoch mit den Regierungsverhandlungen nichts zu tun, da dies eine rein parlamentarische Angelegenheit sei. Er habe sich immer dafür ausgesprochen, sagte Gusenbauer. „Und ich halte mein Wort.“

Rosa Siegestorte

Nichts eint und verbrüdert so sehr wie der Sieg, und weil Gusenbauer mittlerweile ein Sieger ist, überraschte ihn der versammelte Parteivorstand vor Beginn seiner Sitzung noch fantasievoll mit einer rosa Torte, auf der ein großer Einser prangte. Von der Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller wurde Gusenbauer mit einem imposanten Strauß roter und weißer Rosen beschenkt. Dass beim Anschneiden der Torte ein regelrechtes Gedrängel um den ersten, größten Schnitt zwischen den Parteigranden entstanden sein soll, ist dagegen ein nicht belegbares Gerücht. Vorläufig. (Samo Kobenter/DER STANDARD, Printausgabe, 5.10.2006)