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Präsident Lula da Silva liegt knapp vorne. Korruptionsskandale in seiner Arbeiterpartei kamen Herausforderer Geraldo Alckmin zugute.

REUTERS/Rickey Rogers
Luiz Inácio Lula da Silva muss um seine Wiederwahl bangen. Bei der brasilianischen Präsidentenwahl am Sonntag kam der Amtsinhaber nur auf 48,6 Prozent der gültigen Stimmen. Am 29. Oktober misst sich der Ex-Gewerkschafter und Kandidat der Arbeiterpartei PT in einer Stichwahl mit dem rechtsliberalen Sozialdemokraten Geraldo Alckmin. Der frühere Gouverneur von São Paulo erreichte überraschend 41,6 Prozent.

Die Sozialistin Heloísa Helena brachte es auf 6,9 Prozent, Lulas früherer Erziehungsminister Cristovam Buarque auf 2,6 Prozent. Lula ist davon überzeugt, dass ihm die jüngste Affäre um den geplanten Kauf von belastenden Informationen gegen Oppositionspolitiker entscheidende Stimmen gekostet hat. Hinter der Aktion stecken Parteifreunde des Präsidenten.

Gebündelte Scheine

Mit jeder Enthüllung wächst der Schaden: Am Wochenende wurden der Presse Fotos von den sauber gebündelten Geldscheinen zugespielt, mit denen die PT-Funktionäre das „Dossier“ gegen São Paulos frisch gewählten Gouverneur José Serra bezahlen wollten – über 600.000 Euro. Auch Lulas Weigerung, an der großen TV-Debatte am letzten Donnerstag teilzunehmen, erwies sich als Eigentor. Der Staatschef siegte nur in 16 von 27 Bundesstaaten, vor allem im Norden und im Nordosten des Landes. Er wollte sich am Montag mit Parteifreunden beraten.

Alckmin lag in seinem Heimatstaat São Paulo sowie im Mittelwesten und den wohlhabenderen Bundesstaaten des Südens vorne. Die Wahlergebnisse machten aber auch die soziale Spaltung Brasiliens offensichtlich: Die meisten Armen identifizieren sich mit dem charismatischen, aus einfachen Verhältnissen stammenden Präsidenten und halten ihm die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen zugute. Seit 2002 ist der Anteil der in extremer Armut lebenden Brasilianer an der Gesamtbevölkerung von 26,8 auf 22,8 Prozent zurückgegangen. Elf Millionen Familien werden durch das Regierungsprogramm „Bolsa-Família“ finanziell unterstützt, die Arbeitslosigkeit nahm ab, die Reallöhne stiegen. Die Mittel- und Oberschicht hingegen sieht ihre Interessen beim eher spröden Technokraten Alckmin besser aufgehoben.

Sozialprogramme

Lula wie Alckmin wollen bei der Beibehaltung einer konservativen Wirtschaftspolitik die Sozialprogramme ausbauen. In der Außenpolitik setzt Lula auf weitere Allianzen mit anderen Entwicklungsländern, während Alckmin Brasilien wieder stärker auf die USA und die Europäische Union ausrichten will.

Unübersehbar verlor Lula zudem bei der politisierteren Wählerschaft. Rund 20 Prozent seiner früheren Wähler, die in den letzten vier Jahren ihre Hoffnungen auf entschiedene Strukturreformen enttäuscht sahen, votierten jetzt für Helena oder Buarque. Lulas Wahlkampfteam hofft nun, den linken Rand mit einer programmatischen Polarisierung zurückzugewinnen: „Die Alternative ist die Rückkehr zu den Privatisierungen und zum Neoliberalismus“, sagte der gemäßigte PT-Abgeordnete Arlindo Chinaglia am Wahlabend.

Bei den Parlamentswahlen konnte das Mitte-links-Lager seine knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus behaupten. Die PT wird zweitstärkste Fraktion und vier statt bisher drei von 27 Gouverneuren stellen. Dass es auch im künftigen Parlament nicht ohne Freunderlwirtschaft abgehen wird, zeigt die Wahl von Ex-Präsident Fernando Collor zum Senator des nordöstlichen Bundesstaat Alagoas: Collor, der Lula 1989 besiegt hatte, musste drei Jahre darauf wegen eines Korruptionsskandals den Hut nehmen. (Gerhard Dilger aus Porto Alegre/DER STANDARD, Printausgabe, 3.10.2006)