Brüssel - Die Wirtschaft im Euroraum ist im ersten Halbjahr 2006 auf annualisierter Basis um 3,4 Prozent gewachsen – so rasch wie seit sechs Jahren nicht mehr. Das geht aus dem neuen Wirtschaftsbericht der EU-Kommission für das zweite Quartal des laufenden Jahres hervor. Gestützt wird die gute Konjunktur vor allem vom privaten Konsum, der die Exporte als wichtigsten Wachstumsfaktor ersetzt hat. Die gute Stimmung der Verbraucher beruht laut Experten vor allem auf der relativ erfreulichen Entwicklung an den Arbeitsmärkten.

"Eindrucksvoll"

Die EU-Kommission geht von einem Wirtschaftswachstum in der Eurozone von 2,5 Prozent für 2006 aus, das sind 0,4 Prozentpunkte mehr als noch im Frühling erwartet. Im Vergleich zum ersten Quartal stieg das zweite Quartal um "eindrucksvolle" 0,9 Prozent, im Jahresabstand betrug das Wachstum 2,6 Prozent.

Für das kommende Jahr sollte sich die Wachstumskurve etwas abflachen, meinen die Experten in Brüssel: Verantwortlich dafür wären die steigenden Zinsen, die Mehrwertsteuererhöhung in Deutschland sowie das sich abschwächende Wachstum der Weltwirtschaft allgemein, das zu Rückgängen bei den Exporten führen wird.

Sehr positiv streichen die Ökonomen die Widerstandskraft der europäischen Wirtschaft gegenüber dem hohen Ölpreis hervor. Die Wirtschaft der EU würde die Belastungen durch besseres makroökonomisches Management, effizienter funktionierende Arbeitsmärkte und weniger Öl-abhängigkeit besser abfedern können.

Negative Belastungen würden hingegen derzeit von den großen Finanzmärkten und deren Rahmenbedingungen ausgehen. Eine ziemlich scharfe Korrektur der Nachfrage von Finanzanlagen mit höheren Risiken zu Produkten mit weniger Risiko zeigt, dass die Anleger nervös auf die Zinserhöhungen und voraussichtlichen Wachstumsabschwächungen reagieren, was mögliche Abwärtstrends deutlich verstärken könnte, schreiben die Ökonomen der EU-Kommission. Private Risiken

Die Finanzmärkte sollten deswegen in Zukunft scharf beobachtet werden. Sorgen bereitet die zunehmende Verschuldung der Privathaushalte: In mehr als der Hälfte der Mitgliedsstaaten der Eurozone liegen die privaten Schulden bei mehr als 60 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP), und in Irland, Spanien und den Niederlanden wird diese Marke nach EU-Erwartungen bald 100 Prozent überschreiten. Dies sei vor allem in Zeiten steigender Zinsen ein zusätzliches Risiko.

Die Zinsen in der Eurozone bezeichnete die Kommission auch nach den vier Anhebungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) seit Dezember 2005 als niedrig. Die Geldpolitik sei weiterhin angemessen, meint die Kommission. (Michael Moravec, Brüssel, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.10.2006)