Budapest - Alle ungarischen Tageszeitungen kommentieren in ihren Montagausgaben ausführlich die Kommunal- und Regionalwahlen vom Sonntag, die mit einer Niederlage der Regierungsparteien - Sozialisten (MSZP) und Liberale (SZDSZ) - geendet haben:

"Nepszabadsag" (linksliberal):

"Niemand kann dort weitermachen, wo er aufgehört hat. Die Leute haben, neben der Beurteilung der örtlichen Angelegenheiten, vielleicht hier etwas unsicher, dort etwas ernsthafter andeuten wollen, dass nicht sie vor dem Parlament stehen (und demonstrieren, Anm.), dass nicht sie denken, dass an einem Tag eine Revolution auf dem Szabadsag ter (vor dem Gebäude des öffentlich-rechtlichen Fernsehens) alles kurz und klein schlägt, und es sich dann am nächsten Tag um eine Provokation gehandelt hat.

Aber Achtung: sie haben auch dafür keine Ermächtigung gegeben, dass sie über's Ohr gehauen werden, wenn sie nicht neben jede Behauptung der Wahlkampagne einen ausgebildeten Ökonomen stellen, und sie dann ohne besondere Vorbereitung und Erklärung aus dem schwachen Regen in die strömende Traufe kommen. Eines weiß man mit Sicherheit: die Menschen sehen sehr wohl weiter als ihre Nase."

"Nepszava" (linksliberal):

"Was passiert ist, ist keineswegs eine Überraschung. Die erzwungenen einschränkenden wirtschaftlichen Maßnahmen der Regierung Gyurcsany haben verständlicherweise einen bedeutenden Teil der Gesellschaft verbittert; die Reaktion spiegelt eindeutig dies wider. Aber es ist auch die Stimmungsmache nicht zu unterschätzen, der sich zweifellos (die rechtskonservative Oppositionspartei) Fidesz und persönlich (Fidesz-Chef) Viktor Orban an die Spitze gestellt haben, auch wenn es noch keinen sachlichen Beweis dafür gibt, wie sehr er die Extremisten unterstützt hat.

Was fraglich ist - und das auf beunruhigende Weise -, ist die nahe Zukunft. (...) Einige Fidesz-Führer haben in ihrer gewohnten Art erkennen lassen, dass sie möglicherweise weiterhin bestrebt sind, Unruhe zu schüren. Davor bewahre Gott dieses Land. Die Entscheidung der Europäischen Union (über die Annahme des ungarischen Konvergenzprogramms, Anm.) hat bekräftigt, dass die Wirtschaft wieder ins Gleichgewicht gebracht werden muss, und zwar auf Basis der Pläne der Gyurcsany-Regierung. Und wer auch immer diese kreuzen will, indem er das bisher Geschehene weiterführt, würde dem Land schaden."

"Magyar Hirlap" (liberal):

"In dieser Situation können wir (Staatspräsident) Laszlo Solyom nur beipflichten, der die Aufgebrachtheit in der Gesellschaft hervorragend erkannt hat. Er hat es noch vor Bekanntwerden der Ergebnisse als notwendig angesehen, zu sprechen, und darzulegen, was die Koalition für die Wiederherstellung der Ruhe tun muss. Und die Ergebnisse haben ihn - natürlich nicht in rechtlicher, aber in politischer Hinsicht - bestätigt.

Wir meinen, dass es aus Sicht des Landes keine wichtigere Aufgabe gibt, als die Wirtschaft in Ordnung zu bringen (...). Wir zweifeln aber stark daran, dass dies, in Anbetracht der gestrigen Ergebnisse, nur mit diesem Regierungschef durchzuführen sein wird."

"Magyar Nemzet" (rechtskonservativ):

"Staatspräsident Laszlo Solyom hat gestern, wenige Minuten nach sieben Uhr (Wahlschluss, Anm.), in seiner kurzen Rede den Weg für das Parlament gezeigt, und - falls die Abgeordneten seine Worte nicht verstehen wollen - hat er den (Anti-Regierungs-)Demonstranten vom Kossuth-Platz für Wochen und Monate Munition geliefert. (...) Bei den Kommunalwahlen von Zweitausendsechs haben wir zwar Bürgermeister und Kommunalabgeordnete gewählt, doch gestern Abend hat sich auch herausgestellt, dass der Ministerpräsident gehen muss. Irgendwas flüstert mir zu: uns stehen spannende Tage bevor." (APA)