Bild nicht mehr verfügbar.

Es war die Stunde der Populisten, meint Tirols Landeshauptmann Herwig van Staa, regieren werde schwieriger.

Foto: APA
Verluste von knapp acht Prozent bei der ÖVP prägen in Tirol das Wahlergebnis. Sie hat die 2002 wiedererlangte absolute Stimmenmehrheit diesmal deutlich verfehlt und wird von 51,5 auf unter 44 Prozent zurückfallen. Die SPÖ verliert leicht, die Grünen gewinnen ein Prozent.

* * *

Im Wesentlichen im Bundestrend lagen die Ergebnisse in Tirol. Herb die Verluste der ÖVP, einigermaßen stabil die SPÖ, die knapp unter 24 Prozent erreicht - gegenüber 24,5 Prozent davor. Die Grünen legen in Tirol voraussichtlich um knapp über ein Prozent zu und werden mehr als zwölf Prozent erreichen. Die FPÖ hält ihre knapp 10 Prozent von 2002. Während das BZÖ in Tirol mit drei Prozent im Bundesschnitt liegt, hat Hans-Peter Martin wie schon zuletzt bei der EU-Wahl ein überdurchschnittliches Ergebnis mit knapp vier Prozent erzielt.

VP-Landeshauptmann Herwig van Staa relativiert die hohen Verluste der ÖVP mit dem Rekordgewinn von über 19 Prozent für die Tiroler VP im Jahr 2002. Regieren werde in ganz Europa immer schwieriger: "Es gibt viele Populisten."

Anhänger einer großen Koalition

Er sei immer ein Anhänger einer großen Koalition gewesen, so van Staa. Schüssel genieße sein volles Vertrauen. Von der neuen Regierung erwartet van Staa eine "großzügige Bundesstaatsreform" und Bürokratieabbau.

Ex-EU-Kommissar Franz Fischler sagt zum VP-Ergebnis bundesweit: "Das ist eine Niederlage. Punkt." Am auffälligsten sei der hohe Rückgang der Wahlbeteiligung, der den Regierungsparteien am meisten geschadet haben dürfte. Zu einer theoretisch möglichen VP-FP-BZÖ-Koalition sagt Fischler: "Ich bin kein Freund einer solchen."

"Deutliche Absage"

SPÖ-Spitzenkandidat und Bildungssprecher Erwin Niederwieser spricht von einer "deutlichen Absage an die ÖVP-Regierung". Die Leute "wollen nicht, dass die Gesellschaft weiter auseinanderdriftet". Und: "Wir atmen auf, dass es gelungen ist, dieses Kopf-an-Kopf-Rennen zu realisieren. Und vielleicht die Nase vorn zu haben." Für Niederwieser ein "klarer Anspruch auf die Kanzlerschaft".

Die leichten Verluste der SP in Tirol korrelieren für Niederwieser mit dem leicht überdurchschnittlichen Abschneiden von Hans-Peter Martin: "Wir haben in Tirol ein stärkeres EU-kritisches Potenzial." Für SP-Landeschef Hannes Gschwentner ist die ÖVP der große Verlierer in Tirol. Den Bundestrend habe diese trotz ihrer Repräsentanten Khol und Platter nicht stoppen können. "Wir haben uns trotz des Mühlsteines Bawag auch in Tirol gut geschlagen." VP-Hauptgeschäftsführer Georg Keuschnigg ist "nicht erfreut" über die hohen VP-Verluste. "Wir liegen aber im Bundestrend." Die VP habe zudem das zweitbeste Ergebnis der letzten 20 Jahre in Tirol erzielt. "Wir haben weiterhin das beste VP-Bundesland-Ergebnis ".

Keuschnigg sieht keine Verantwortung der Landespartei. "Man sieht, dass Skandale wie die Bawag letztlich beim Wähler nicht parteipolitisch zugeordnet werden." VP-Landeshauptmannstellvertreterin Elisabeth Zanon sieht in der niedrigen Wahlbeteiligung ein Hauptmotiv für die VP-Niederlage. "Wir haben unseren Wählern nicht vermitteln können, dass es ein Kopf-an-Kopf-Rennen gibt."

Bestes Grün-Ergebnis

Tirols Grüner Spitzenkandidat Kurt Grünewald, der wieder in den Nationalrat einziehen wird, ist "sehr zufrieden" mit dem "besten Grün-Ergebnis bei einer Nationalratswahl". Auch wenn sich wahrscheinlich "wegen der Ergebnisse von VP und SP eine Koalition mit den Grünen nicht ausgehen wird. Dass wir Strache wahrscheinlich nicht auf Distanz halten, sei "ein Wermutstropfen". "Wir hoffen aber noch auf die Wahlkarten." Das erhoffte zweite Mandat in Tirol konnten die Grünen nicht erreichen.

Die VP verliert besonders stark in Innsbruck Land und Osttirol, je mehr als 9 Prozent. Bei den Gemeindeergebnissen fällt auf, dass die VP in rund 90 Prozent der Gemeinden Verluste verzeichnet, in annähernd einem Drittel in zweistelligem Ausmaß. In der Kleingemeinde Kaisers im Lechtal, wo die VP 2002 als einziger Gemeinde österreichweit sämtliche Stimmen eingestreift hatte, gibt es nun je drei SP- und Grünstimmen neben einer für die FPÖ. Die 35 der VP verbliebenen Stimmen sind nur mehr 81,4 Prozent. Stärkste VP-Gemeinde ist nun Jungholz, wo sie nur 1,2 Prozent verloren hat und nun bei 90,7 Prozent hält.

Bemerkenswert der Erfolg des Tiroler FP-Spitzenkandidaten Gerald Hauser, der in seiner Heimatgemeinde St. Jakob in Defreggen 14,6 Prozent zulegte und damit auf 26,2 Prozent Stimmanteil mehr als verdoppelte.

Die auch den Nationalratswahlkampf dominierenden Themen um neue Kraftwerke haben in den betroffenen Gemeinden nur teilweise Einfluss auf das Wahlverhalten gehabt. In Matrei in Osttirol büßte die VP 15,9 Prozent ein, die überwiegend Grünen und FPÖ zugute kamen. In Kaunerberg und Gschnitz hingegen schnitt die VP mit jeweils nur -2 Prozent sogar deutlich besser als im Landesdurchschnitt ab. In St. Leonhard im Pitztal, in dem es zusätzlich auch noch um Erschließungen im Gletscherskigebiet geht, wurde die ÖVP mit -15,7 Prozent (nunmehr 66,5%) bestraft. (DER STANDARD, Printausgabe 2. 10. 2006)