Budapest - Der ungarische Ministerpräsident Ferenc Gyurcsany hat seine Lügen-Rede in einem Zeitungsinterview verteidigt. Sein Eingeständnis, die Bevölkerung vor den Wahlen belogen zu haben, sei ein dramatischer Appell zur Umsetzung von Reformen gewesen, sagte Gyurcsany dem "Handelsblatt" (Montagsausgabe). Einen Rücktritt lehnte der sozialistische Regierungschef in dem Interview ab.

In der Rede auf einer internen Parteisitzung hatte Gyurcsany offen zugegeben, dass er die Ungarn vor seinem Wahlsieg im April bewusst über die prekäre Haushaltslage im Unklaren gelassen hatte. "Wir haben von morgens bis abends gelogen", sagte in der Ansprache, die öffentlich wurde und Massenproteste gegen den Regierungschef auslöste.

Gewisse ungarische Mentalität

"Diese Rede richtet sich gegen eine gewisse ungarische Mentalität, gegen die bei vielen Bürgern fehlende Courage für wirkliche Veränderungen", sagte der Ministerpräsident der Wirtschaftszeitung. Die Ungarn müssten Abschied von der Illusion nehmen, "dass immer einer sagt, was wir tun sollen, dass immer andere die Verantwortung tragen."

Gyurcsany hatte sich vor einigen Tagen für die Rede entschuldigt. Er habe nicht geglaubt, dass die Wähler Verständnis für die wegen des Budgetdefizits nötigen Steuererhöhungen und Subventionskürzungen haben würden, sagte der Ministerpräsident. Am vergangenen Wochenende hatten noch zehntausende Menschen gegen ihn demonstriert, die Zahl der Demonstranten hat seitdem jedoch stark abgenommen. (APA/Reuters)