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apa/EPA/Diego Azubel
Die persönliche Kompetenz der Ausstrahlung ist zentral. Aber nicht unbedingt schicksalsgegeben. Der erste Eindruck ist der entscheidende. Wer hier patzt, hat schlechte Karten. Wo auch immer. Wenn auch die zweite Begegnung einen Menschen nicht selten in einem ganz anderen Licht erscheinen lässt, verhindert nur zu oft der verunglückte erste Eindruck diese zweite Chance. Was macht diesen verflixten ersten Eindruck so heikel?

Die enorme Wirkungskraft der persönlichen Ausstrahlung: Sie sorgt in ihrer Gesamtheit für "top" oder "flop" bei dem ersten Aufeinandertreffen. Und zwar deshalb, "weil diese Ausstrahlung zunächst vom Unbewussten wahrgenommen wird. Dadurch entsteht eine bestimmte Wahrnehmungsbereitschaft. Eine 'Brille', sozusagen. Sie kann dazu führen, dass eine Person und alles, was sie sagt und tut, von ihrem Gegenüber nur noch durch diesen einen 'Brillen'-Filter wahrgenommen wird", erklärt Maja Storch. "Vor diesem Hintergrund", sagt sie, "ist unser neues Ausstrahlungstraining zu sehen."

Interdisziplinär

Entwickelt wurde es vom Institut für Selbstmanagement und Motivation, einem Spin- off der Universität Zürich, das die Psychologin und Psychotherapeutin Storch leitet (ISMZ). Basis des Trainings sind die jüngsten motivationspsychologischen und neurowissenschaftlichen Erkenntnisse. Wissenschaftlicher Arbeitsansatz des Trainings ist, dass Ausstrahlung ein Ausdruck der Persönlichkeit ist, der nicht an dem festgemacht wird, was ein Mensch sagt, sondern wie er es sagt.

Deshalb könne ein und derselbe Satz eine so gravierend andere emotionale Anmutung bekommen, je nachdem, wie er "dargeboten" werde. "Denken Sie nur einmal daran, auf wie viel verschiedene Arten man 'Herzlich willkommen' oder 'Danke' sagen, ein Lob aussprechen, eine Arbeitsanweisung geben oder einem Kunden ein Angebot unterbreiten kann. Wenige Worte oder Sätze, die eine völlig unterschiedliche Wirkung erzielen können, je nachdem, mit welcher Ausstrahlung sie ausgesprochen werden", erklärt Storch die schicksalhafte Wirkung des ersten Eindrucks.

Intuition

Und das deshalb, weil einige der Signale, die ein echtes Gefühl von einer bloßen Gefühlssimulation unterscheiden, der willentlichen Kontrolle überhaupt nicht zugänglich seien. Im Fall eines echten oder gemimten Lächelns beispielsweise ist dies der Augenringmuskel. Er zeigt, ob jemand tatsächlich von innen heraus, also "mit den Augen" lächelt oder Freundlichkeit nur mimt. Und weil das menschliche Gehirn evolutionär darauf geprägt ist, derartige minimale Ausdrucksnuancen wahrzunehmen, spürt ein so künstlich angelächelter Mensch intuitiv, dass mit dem Gegenüber und der Botschaft, die vermittelt wird, etwas nicht stimmt. Damit wackelt die Glaubwürdigkeit des Gegenübers, innerlich werden die Weichen in Richtung "Achtung" gestellt. Das ist beruflich wie privat ein erhebliches Manko.

Fest gemacht

Aus wissenschaftlicher Sicht lassen sich die Unterschiede in der Wirkungsweise der Ausstrahlung also im nonverbalen, sprich: körpersprachlichen Bereich festmachen. "Etwas im Menschen Vorhandenes wird an die Außenwelt weitergegeben, eben 'ausgestrahlt', und von anderen Menschen wahrgenommen", erläutert Storch. Ausgestrahlt werde aus wissenschaftlicher Sicht eine Stimmung oder ein Gefühl. Beides seien wichtige Kommunikationsmittel, die sich durch körperlich wahrnehmbare Veränderungen mitteilten.

Zum Beispiel im erwähnten Augenringmuskel, in der Gesichtsmuskulatur, der Mimik also. Oder in der Durchblutung der Gesichtshaut und der Pupillengröße der Augen. Ebenso in der Atmung. Und verbunden damit in der Sprechgeschwindigkeit, der Stimmlage beziehungsweise -höhe und der Lautstärke. Auch die Grobmotorik, sprich: die Gestik, ist ein wichtiges nonverbales Ausdrucksmittel. Häufig in Verbindung mit der Körperhaltung - und vielen weiteren anderen, meist gar nicht bewusst wahrgenommenen ausdrucksmäßigen Details.

Da das Zusammenspiel dieser vielfältigen körperlichen Ausstrahlungselemente größtenteils außerhalb der bewussten Kontrolle erfolgt, "liegt auch genau hier die Schwierigkeit, wenn versucht wird, eine bestimmte Ausstrahlung bewusst zu erzeugen, ohne dass eine entsprechende Gefühls- und Stimmungslage tatsächlich vorhanden ist", sagt Storch. Der Grund dafür: Sämtliche körperlichen Elemente der Ausstrahlung entstehen auf der Basis einer generellen Stimmungslage oder eines aktuellen, augenblicklichen Gefühls.

Übersetzung

Diese Stimmungen oder Gefühle werden von einem speziellen Bereich des Gehirns in nonverbale Ausdruckshandlungen übersetzt. Der Persönlichkeitspsychologe Professor Julius Kuhl von der Universität Osnabrück nennt diesen Bereich des Gehirns die "intuitive Verhaltenssteuerung". Dieses Gehirnareal ist in der Lage, die vielen tausend Elemente des Stimmungs- und Gefühlsausdrucks zu koordinieren und simultan in Handlung zu überführen.

Einfach geht es nicht

"Das ist der für das Ausstrahlungstraining entscheidende Bereich", erklärt Storch. Deshalb sei mit bewusst gefassten Vorsätzen wie zum Beispiel "Arme nicht verschränken, um nicht abwehrend oder abweisend zu erscheinen" wenig zu bewirken. Damit werde lediglich das Absichtsgedächtnis angesprochen, das nur sehr wenig Informationseinheiten verarbeiten könne. Deshalb ist das in Zürich entwickelte Ausstrahlungstraining auch individuell maßgeschneidert.

Gruppenerfahrung und Einzelcoaching wechseln sich systematisch ab. Erarbeitet werden zunächst individuelle Identitätsziele und die dazu passenden Stimmungslagen. Die individuellen Identitätsziele (Welche Vorstellung ^habe ich von mir? Bezogen darauf: Wie möchte ich mich darstellen? Vielleicht mit welchem/n Schwerpunkt/en? Welche Gesamtwirkung als Persönlichkeit ist mir wichtig?) muss jeder Trainingsteilnehmer für sich erarbeiten.

Glaubwürdig, überzeugend ausstrahlen könne ein Mensch nur etwas, das auch wirklich aus seiner eigenen Quelle komme, erklärt Storch diese spezielle Vorgehensweise. Ist dieser persönliche Identitätsaspekt dann sicher ver^innerlicht, wird er mit den entsprechenden Stimmungslagen gekoppelt.

Das geschieht gezielt über neu entwickelte Körperübungen, die die intuitive Verhaltenssteuerung ansprechen.

Anderer Ansatz

Auf diese Weise sei dann eine situativ und persönlich stimmige Ausstrahlung möglich. Damit arbeitet das neue Zürcher Ausstrahlungstraining nach einem grundsätzlich anderen Prinzip als die bisher angebotenen einschlägigen Trainings. Es setzt nicht bei den Fertigkeiten an (lächeln, freundlich sein etc.), sondern aktiviert gezielt Gefühle.

Und diese Aktivierung wird erreicht, indem in einem weiteren Trainingsschritt gezielt Haltungsziele angesteuert werden. Haltungsziele beschreiben eine innere Einstellung. Bildhaft und vergleichbar einem Lebensmotto.

Einstellungsfragen

Echte Freundlichkeit, erläutert Storch diese Trainingssequenz, könne zum Beispiel ausgelöst werden durch die innere Einstellung im Umgang mit anderen wie "Ich sehe das Liebenswerte in jedem Menschen" oder "Ich strahle Geborgenheit aus". Glaubwürdige Anerkennung erwachse aus Einstellungen wie "Ich freue mich auch über kleine Fortschritte" oder "Ich pflege meine Mitarbeiter wie ein Gärtner seinen Garten".

Wie die Identitätsziele müssen auch die Haltungsziele der Person passen wie ein maßgeschneidertes Kleidungsstück. Dazu ist individuelle und sehr sorgfältige Arbeit mit den jeweiligen und Teilnehmerinnen und Teilnehmern notwendig.

"Mit allgemeinen Plattitüden wie 'Ich bin der Beste' oder 'Von Tag zu Tag geht es mir besser und besser' lässt sich überzeugende Ausstrahlung nicht herbeizaubern", bringt Storch die Dinge aus ihrer Sicht auf den Punkt. Und schildert damit auch eine aufwändige, keine schlichte Herangehensweise aus. (Hartmut Volk, Der Standard, Printausgabe 30.9./1.10.2006)