New York – Bob Woodward, legendärer Aufdecker des Watergate-Skandals in den frühen 1970er-Jahren, beschuldigt die Bush-Regierung in seinem neuen Buch „State of Denial“ (etwa: Im Zustand der Verleugnung), das Anfang der Woche publiziert wird, wichtige Warnungen über das Ausmaß der Gewalt im Irak ignoriert zu haben und weiterhin zu ignorieren. „Es ist nun so weit gekommen, dass es acht- bis neunhundert Attacken pro Woche gibt, mehr als hundert pro Tag, vier Attacken pro Stunde, die sich gegen unsere Streitkräfte richten“, sagt Woodward in einem vorab veröffentlichten Interview mit dem TV-Newsmagazin „60 Minutes“, das Sonntagabend ausgestrahlt wird. Geheimdienst-experten erwarteten, dass sich die Lage 2007 noch weiter verschlimmere, „und das Pentagon erklärt: Nein, nein, die Dinge werden besser.“

Des Weiteren soll das Weiße Haus insbesondere in jüngster Zeit des Öfteren den ehemaligen Außenminister (und Friedensnobelpreisträger) Henry Kissinger zu Rate gezogen haben, der der Ansicht ist, ein Sieg im Irak sei die einzig mögliche Lösung. Auch wird ein Freund der Familie Bush mit den Worten zitiert, Bushs Vater, Expräsident George H. W. Bush, habe schlaflose Nächte wegen des Irakkrieges. Bush selbst soll einigen Republikanern erklärt haben: „Ich ziehe die Truppen nicht ab, selbst wenn Laura und Barney die Einzigen sind, die mich unterstützen.“ Barney ist der Scotchterrier der Familie Bush.

Drittes Buch in Serie

Es ist Woodwards drittes Buch in Serie, das sich mit dem Irakkrieg beschäftigt. Seine beiden ersten, „Der Angriff“ (Plan of Attack) und „Amerika im Krieg“, stießen auf harte Kritik von Liberalen und Kriegsgegnern: Man warf Woodward vor, sich als „Wasserträger“ für das Weiße Haus zu betätigen und insbesondere Bush selbst mit Glacéhandschuhen angefasst zu haben. Innerhalb der Bush-Regierung heißt es nun, Woodward müsse mit diesem Buch seine in letzter Zeit stark angeknackste Glaubwürdigkeit wiederherstellen.

Dann gibt es jene, die der Ansicht sind, Woodwards Buch könnte bis zu einem gewissen Grad wahlentscheidend sein: Zum einen, weil es den so unpopulären Irakkrieg nur wenige Wochen vor den Midterm-Elections wieder aufs Tapet bringt, und zum anderen, weil es die Scheuklappenpolitik und Arroganz der Bush-Regierung zeige. (sdr/DER STANDARD, Printausgabe, 30. September/1. Oktober)