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In einem Vorort der Hauptstadt Kabul.

AP Photo/Musadeq Sadeq)
Kabul/Portoroz - Die USA und die Vereinten Nationen (UN) sind besorgt über die massive Zunahme der Taliban-Angriffe in Afghanistan. Im Grenzgebiet zu Pakistan im Osten des Landes habe sich die Zahl der Angriffe in einigen Regionen zum Teil verdreifacht, sagte ein US-Militärsprecher am Donnerstag. Dies sei nur zum Teil auf die Offensive der von den USA angeführten Koalitionstruppen zurückzuführen. Vor allem im Südosten an der Grenze zu der pakistanischen Unruhe-Region Nord-Wazirstan nähmen die Angriffe zu. Ob diese auch von Extremisten verübt würden, die aus Pakistan einsickerten, sagte der Sprecher nicht.

Angesichts des Wiedererstarkens der radikal-islamischen Taliban beschuldigten sich Afghanistan und Pakistan zuletzt gegenseitig, nicht entschlossen genug gegen Extremisten vorzugehen. US-Präsident George W. Bush forderte beide Länder am Mittwoch auf, im Kampf gegen den Terrorismus besser zusammenzuarbeiten.

Die UN-Menschenrechtsbeauftragte Louise Arbour sprach von der schlechtesten Sicherheitslage in Afghanistan seit dem Sturz der Taliban vor fünf Jahren. Die Situation verschärfe sich immer mehr, sagte sie vor dem UN-Menschenrechtsrat in Genf. Als Beispiel nannte sie die Ermordung der Frauenbeauftragten der Provinz Kandahar am Montag, wozu sich die die Taliban bekannten. Zudem leide das afghanische Justizsystem trotz der Reformbemühungen unter schweren und systematischen Problemen. Einschränkungen der Religions- und Meinungsfreiheit nähmen zu.

NATO dehnt Einsatz auf ganz Afghanistan aus

Die NATO weitet ihren Afghanistan-Einsatz auf das ganze Land aus. Ein NATO-Sprecher sagte am Rande eines Verteidigungsministertreffens in Portoroz (Slowenien), alle 26 Bündnisstaaten hätten zugestimmt. "In den kommenden Wochen" werde die ISAF den Befehl über 12.000 bis 13.000 US-Soldaten übernehmen, die bisher für die von den USA geführte Anti-Terror-Operation "Enduring Freedom" im Osten Afghanistans stationiert sind. Etwa 8.000 US-Soldaten bleiben unter amerikanischem Befehl.

Einsatz der deutschen Bundeswehr um ein Jahr verlängert

Deutsche Soldaten werden ihren Einsatz in Afghanistan ein weiteres Jahr fortsetzen. Der Bundestag stimmte am Donnerstag der Verlängerung des Mandats mit großer Mehrheit zu. Dafür stimmten 492 Abgeordnete, dagegen 71. Neun enthielten sich. Deutschland beteiligt sich mit bis zu 3000 Soldaten an der Internationalen Schutztruppe für Afghanistan (ISAF). Es ist damit zweitgrößter Truppensteller der insgesamt 20 000 Mann starken Truppe unter dem Dach der NATO.

Die Lage in Afghanistan ist derzeit so schlecht wie seit dem Sturz des Taliban-Regimes vor fünf Jahren nicht mehr. Die Übergriffe auf die fremden Truppen mehren sich inzwischen auch im bislang als wenig gefährlich geltenden Norden, in dem die deutschen Soldaten die Verantwortung haben. Zentrales Problem ist der Drogenanbau, für das bisher keine zwingenden Lösungsansätze in Sicht sind. Zudem bekommen die Aufbauhelfer die Korruption nicht in den Griff.

Sicherheitslage erneut verschärft

Die Sicherheitslage in Afghanistan habe sich wegen der Ausdehnung der internationalen Truppen auf das ganze Land erneut verschärft, sagte der deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Jung. Das störe einige Kreise, vor allem die Drogenbarone. Laut "Bild"-Zeitung warnte der deutsche Botschafter in Kabul, Hans-Ulrich Seidt, davor, dass der afghanischen Regierung unter Hamid Karsai innerhalb von 12 bis 18 Monaten die Kontrolle über das Land entgleiten könnte.

Bis auf die Linkspartei waren sich im Bundestag aber alle Fraktionen einig, dass es keine Alternative zu einer Verlängerung des Einsatzes gebe. Denn sonst würde das Land im Chaos versinken, es würde zu einer "Irakisierung Afghanistans" kommen, wie der stellvertretende Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin dies nannte.

Außenminister Steinmeier appelliert an Kritiker

Außenminister Frank-Walter Steinmeier appellierte in der Bundestagsdebatte an die Kritiker des Einsatzes: "Afghanistan ist nur dann verloren, wenn wir es aufgeben." Der Minister räumte ein, dass es erhebliche Rückschläge beim Aufbau des Landes gegeben habe. Drogenanbau und Korruption gefährdeten die Erfolge.

Nach den Worten des FDP-Außenpolitikers Werner Hoyer muss man inzwischen auch im Norden des Landes von einem "veritablen Kampfeinsatz" sprechen. Hoyer räumte aber ein, dass auch er keinen überzeugenden Lösungsvorschlag für das Problem des Drogenanbaus habe. Seine Fraktionskollegin Birgit Homburger sagte mit Blick auf die Diskussion über eine Entsendung von Teilen der deutschen Truppen in den umkämpften Süden, das Parlament müsse über einen Einsatz der deutschen Truppen außerhalb des Kern-Einsatzgebietes unterrichtet werden.

Neue NATO-Strategie gefordert

Unmittelbar vor der Konferenz der NATO-Verteidigungsminister in Slowenien forderte Jung im ZDF-"Morgenmagazin" eine neue NATO- Strategie für den Afghanistan-Einsatz. "Das Konzept muss lauten: Sicherheit und Wiederaufbau." Die Afghanen müssten sehen, "dass wir nicht Besatzer sind". Inzwischen stimmten seine Amtskollegen in Italien und Großbritannien diesem von Deutschland praktizierten Konzept zu. Nun müssten auch die US-Amerikaner diesen Weg mitgehen.

Steinmeier und der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Eckart von Klaeden, nannten als Erfolg, dass - zumindestens im Norden des Landes - inzwischen sieben Millionen Mädchen eine Schule besuchen könnten. Steinmeier sprach sich für einen weiteren Aus- und Aufbau des Bildungssystems insgesamt aus sowie für eine Intensivierung der Polizeiausbildung. (Reuters/APA/dpa)