Bis die Augen aus dem Kopf fallen: Guido Gluschitsch und die Piaggio X8 400 ie.

foto: wolf-dieter grabner

Es ist ja so, dass ich nicht nur die neuesten Eisen fahren darf, wegen der alle mit vollgesabberter Oberbekleidung an den Auslagen der Motorradlhändler hängen. Nein, zwischendurch muss ich auch einen Roller fahren. Ja klar, da kommt keine Freude auf.

Roller fahren ist in Italien ganz normal. Bei uns wirst als ortsbekannter Motorradfahrer deswegen immer noch schief angeschaut. Liegt aber vermutlich auch daran, dass die Italiener die Roller ganz anders durch die Straßen prügeln als Otto Normalverbremser sein Moped durch Wien.

Was noch dazu kommt: Ein paar Kollegen in der Firma wissen ja, was ich da im Haus mach. Und die schauen dann schon manchmal, mit welchem Radl ich unterwegs bin. Auf den Piaggio X8 wird mich wohl niemand anreden, bin ich mir sicher. Da lachen s’ mich höchstens aus, wenn sie mich damit erwischen. Ist ja altbekannt, dass alle Rollerfahrer von ihren Gefährten schwärmen und trotzdem viele von ihnen irgendwann auf ein Motorrad umsteigen, während wirklich nur wenige Eisenritter von einer Honda Lead träumen.

Ich träum ja auch nicht von Rollern. Die kleinen Reifen bieten ein Handling, das mir völlig fremd ist. Außerdem bremsen die Dinger nicht. Da können S’ voll in die Eisen greifen. Nix. Und vielleicht kommt auch dazu, dass ich einmal bei einer Rollerprobefahrt mein eigenes Auto demoliert hab. Sag ich ja, ungewohntes Handling und keine Bremserei.

Meine Schüssel hat die Restgeschwindigkeit von der Reiben, welche die Bremsen übrig ließen, so verdaut, dass ich doch noch zum Stehen kam. Immer diese depperte Angeberei. Was mich die schon gekostet hat. Und ich red da nicht von den paar Hundertern, die für die Rollerinstandsetzung fällig geworden sind. Die Kaltverformung der Fahrerseite von der grünen Kraxen hat gleich ein paar Tausender verschlungen.

Das in etwa ging mir durch den Kopf, als ich mich darauf vorbereitete, den X8 beim Faber abzuholen. Keine Freude. Nix. Und auf einmal sehe ich einen Roller. Ich weiß nicht, kam der schon quer, hat das Fußbrettl schon am Boden geschliffen, jedenfalls der Anblick war göttlich. Dann grüßt mich der Wahnsinnige auch noch. Heribert Corn. Genialer Fotograf und wilder Hund am Eisen. Ich dachte, der Corn verschrottet nur Alteisen am Pannonia, nein, der kann auch Roller fahren, dass es was zugleich schaut. Und langsam kam dann doch Freude auf.

Ein bisserl später steh ich vor dem Roller. "Roller" kann man eigentlich gar nicht sagen. "Großraumlimousine auf zwei Radln" trifft es da eher. Ehrlich. Mit einem Druck auf den Schlüssel geht der Kofferraum auf. Na, beruhigen S’ Ihnen wieder. Ist nicht geflunkert. Ehrlich. Wie bei einem besseren Auto. Bei meinem muss ich ja froh sein, wenn die Heckklappe überhaupt aufgeht – aber beim X8 ist das kein Problem.

Sitzbank öffnen? Weiter vorne auf den Schlüssel drücken. Wirklich. Nur das Dachl fehlt. Es regnet einen aber eh kaum an, weil die Piaggios vorne so eine Glaswand verbaut haben, die das Wetter abhält. Zumindest zum Großteil. Die Windabrisskante ist nämlich bei mir auf Augenhöhe. Aber wenn ich bucklert sitz, so wie früher, in der Schule, beim Sesselschaukeln, dann passt das wieder. Bleibt man echt trocken, wenn es regnet. Na ja, solange man fährt. Am Stand, bei der roten Ampel, hilft die Scheibe natürlich nix.

>>>Coole Nothaken

Wenn wir schon beim Glasparavent sind. Da kennen S’ halt schon raus, dass da die Italiener ihre Finger im Spiel hatten. Weil quietschen tut die Scheibe – anscheinend dort, wo sie befestigt ist – dass man meint, man führt grad einen Sack Mäuse in die Katzenfutterfabrik. Sonst haben s’ den X8 aber sauber verarbeitet. Darf man eh nicht schimpfen.

Und was die kleinen Radln betrifft: Vorne 120/70, hinten 140/70. Da gab es eigentlich keine Probleme. Liegt vielleicht aber auch an dem extrem langen Radstand, dass die Fuhr nicht so wacklig war. Vorne werkt eine hydraulische Gabel, hinten zwei Stoßdämpfer. Passt auch. Na dann sind wir auch schon bei der Bremserei.

Halten S’ Ihnen fest. Weil echt, das Ding bremst nicht. Zumindest hat man den Eindruck, wenn man grad von einer Supersport auf den X8 wechselt. Da kann schon passieren, dass einem beim Anbremsen die Augen ganz normal aus dem Kopf fallen. Weil sie so groß werden wie das Hindernis, auf das man zufährt.

Es ging sich bei mir dann aber eh immer aus. Notfalls kann man mit dem X8 ganz cool einen Nothaken schlagen. Das geht kinderleicht und wirkt sogar professionell, solange man sich dabei gellende Schreie verhalten kann. Und wenn ich ehrlich bin, dann bremst der X8 für einen Roller eh ganz passabel. Muss er aber auch. Bei drei verbauten 240-Millimeter-Stahlbremsscheiben – eine davon hinten.

Warum die Roller allesamt hinten besser verzögern als vorne, erklärte mir ein Mitarbeiter vom Faber: Durch das größere Gewicht, das auf der Hinterachse lastet. Und gleich verklopft er mir den neuen Derbi-Roller für eine Probefahrt. Weil der soll sogar vorne richtig ankern. Ich bin gespannt. Bericht wird folgen.

Noch was zum Motor und den Trümmern rundherum. 400 Kubikzahndi, wie der Nussa sagen würde. Einzylinder. Automatikgetriebe. Euro-3-fit. Einen Verbrauch hat die X8 ja, der mich wunder stimmte. Erst glaubte ich, die Tanknadel sei angenagelt. Aber irgendwann hat sie sich dann doch bewegt. Ein bisserl aber nur. Und das ganz langsam.

>>>Voll am Gas

Die Höchstgeschwindigkeit des X8 hingegen liegt laut Fahrzeugpapieren bei 155 km/h. Laut Tacho liegt sie natürlich darüber. Sollte das jemand gemessen haben, liefere ich das Ergebnis nach. Nein, ernsthaft. Ich bin nie zu schnell gefahren. Ohne Schmäh. Tut man nicht. Auch wenn es mit dem Roller ginge. Glaub ich.

Die Automatik hat mich natürlich mürbe gemacht. Da steh ich neben einer CBR an der Ampel. Der Typ auf der Honda klopft den ersten Gang rein. Ich schau weiterhin deppert grad aus. Und ich weiß, dass die Automatik ein wenig braucht, nachdem man den Gashebel auf die Position "1" gestellt hat, bis sich das Hinterrad dreht. Das heißt, wenn der CBR-Xaver seinen Kupplungshebel auslassen anfängt, muss ich schon voll am Gas hängen.

Eh klar, dass das Spaß macht, eine Supersport mit einem Roller zu richten. Bei der nächsten roten Ampel kämpfte sich die CBR wieder zwischen den Autos nach vorne, die ich am Weg dorthin abgehakt habe. Nur einen Käfig ließ er zwischen uns. Ich nenne das Respektsabstand.

Also geht das mit der Automatik eh. Die neu entwickelte Kupplung, mit fünf Pendelgewichten in der Glocke – da würd’ sich unser Dorfpfarrer freuen – macht ihre Arbeit eh sauber. Kommt mir halt trotzdem wie eine Ewigkeit vor, bis der X8, nach dem Gasgeben, losfährt.

In der Stadt ist der X8 schon ein wenig klobig. Aber wenn man sich an die Abmessungen erst einmal gewöhnt hat, wieselt man durch den Stadtverkehr, dass die U-Bahn blass wird. Überland ist, eh klar, alles eine g’mahte Wiesen. Fantastischer Windschutz.

Die große Auswahl an Sitzpositionen sorgt für die nötige Kurzweile. Weil der nächste Tankstellenstopp nicht vom Spritverbrauch, sondern vom Blasenhaltevermögen abhängig ist.

Der Fiaker jedenfalls war begeistert. Er unterbrach unser lustloses Fotoshooting – ich glaub die Passanten hauen sich heute noch über den Graf Foto und mich ab – und will im Frühjahr "genau so eine" kaufen. Seine Pferderl nahmen die Nachricht gelassen auf. (Text: Guido Gluschitsch, Fotos: Wolf-Dieter "Graf Foto" Grabner, derStandard.at, 25.9.2006)