Continental Divide.

Das heißt jetzt nicht, dass jemand den Bentley Continental GTC zerteilt hätte, mit der Flex vielleicht. Wir halten bloß gerade bei unserer Testfahrten am Independence Pass in Colorado, 12.095 Fuß hoch gelegen, also knappe 4000 Meter Seehöhe.

foto: der standard/stockinger

Und da weist

ein Schild darauf hin, dass alles Wasser östlich von diesem Ort sich in Richtung Atlantik aufmacht, alles westlich in Richtung Pazifik. Continental Divide eben.

foto: werk

Wir ließen

in dieser Höhe gar kein Wasser fließen, schon aus ostwestlicher Entschlusslosigkeit. Blieben dafür aber selbst bei bescheidenen Außentemperaturen im Fahrbetrieb standhaft britisch - nämlich offen, auch für die Eindrücke des Indian Summer, der Berge und Täler mit traumhaft pastelligen Couleurs überzog. Colorado? Passender Name.

foto: werk

"Ich hab mich verliebt",

flötet der Kollege aus Belgien, und sein Blick streift zärtlich über das Objekt seiner Zuneigung. Fast hätte er Taminos Zauberflöten-Arie "Dies Bildnis ist bezaubernd schön, wie noch kein Auge je geseh'n!" dazu angestimmt. Mit seinem Erguss meint er indes nicht etwa eine weibliche Schönheit, an denen in Aspen gewiss kein Mangel herrscht. Nein, es geht um Seine Lordschaft, Bentley Continental GTC.

foto: werk

Über den

sind auch die Amis ganz aus dem Häuschen: Überall, wo die zwei Hände voll europäische Motorjournalisten dieser Tage mit dem GTC auftauchen, diesem exquisiten und in Wahrheit transattributiven Spielzeug für Superreiche, ist für reichlich Gesprächsstoff gesorgt.

foto: werk

Das FBI

verlegte sogar eine ganze Hundertschaft von Agenten nach Aspen, diesen berühmten US-Wintersportort in den Rocky Mountains. Dies allerdings, wie man uns erzählt, dann doch weniger Bentley's wegen, sondern aufgrund eines Geheimtreffens in Sachen Mittlerer Osten. Auch Iraks Präsident Jalal Talabani war da. Ganz geheim.

foto: werk

Kein Geheimnis ist,

dass Bentley der Conti-Baureihe nach Coupé (GT) und Limousine (Flying Spur) nun ein Cabriolet der Superlative folgen lässt. Zweifellos ist dieses eine automobile Skulptur der Extraklasse: Sanft fließende Formen, denen das Auge folgt, als wär's eine der Marmorgestalten Antonio Canovas, Najade, oder Drei Grazien. Ein Genuss.

foto: werk

Weniger gewichtig

als diese, ansonsten aber auch wie aus dem Vollen gemeißelt, kommt der GTC daher. In Sachen Verwindungssteifigkeit habe man, berichtet Bentley, mangels Konkurrenz den eigenen Continental GT als Messlatte genommen. Weil Briten selten hoch stapeln, bleibt dazu nur zu sagen: Genau. Nie war ein Cabrio steifer.

foto: werk

Die Dachkonstruktion

(mehrlagiges Softtop, öffnet/schließt in 25 Sekunden) ist so aufwendig und raffiniert, dass auch im geschlossenen Zustand die reine Coupé-Form gewahrt bleibt. Das Stoffdach versenkt sich hinter den Rücksitzen, ohne den Kofferraum zu beeinträchtigen. Dafür mussten allerdings die Hinterachs-Dämpfer modifiziert werden. Und auch die Sitze wurden gegenüber dem GT etwas tiefer gelegt; von manchen Kunden wurde beim Coupé die Sitzposition bemängelt.

foto: werk

Zum Interieur

bleibt nur dies zu sagen: Kunsthandwerk auf höchstem Niveau. Wem's offen zu windig wird - das Teil geht in diesem Zustand 306 km/h -, für den gibt's erstmals in der Firmengeschichte ein Windschott. der Standard verzichtete. Aus Gründen stilistischer Keuschheit. Und wegen der Geschwindigkeitslimits.

foto: werk

65 Meilen

(also etwa 100 km/h) waren bei der Colorado-Tour das höchste der Gefühle, 10 ein Tiefpunkt, und die Sheriffs angeblich humor- und kompromisslos. Gut, dass der GTC auch gut gleiten kann.

foto: werk

Und der Antrieb?

Standesgemäß, würden Briten sagen. Der bekannte W12 von Konzernmutter VW, allerdings von Bentley für Bentley-Kunden biturbomäßig aufgerüstet. 560 PS, 650 Nm Drehmoment. Gut, dass man so viel Kraft per Allrad auf die Straße bringt.

foto: werk

Übrigens,

hätten Sie's gewusst: Wer ist größter Zwölfzylinder-Hersteller der Welt? Bingo: Bentley. Mit Abstand. 9005 W12 hat die Firma 2005 in seine Autos verbaut. Nummer zwei? Aston Martin mit 3905 Zwölf-Endern. Erst dann folgen Mercedes (2834), Audi, (2039) und BMW (1990).

foto: werk

Schlussendlich W12,

das Klangerlebnis im GTC: Nicht Zauberflöte. Eher Zaubertuba. Die Espen um Aspen erzitterten vor Wollust. (Andreas Stockinger, AUTOMOBIL, 22.9.2006)

Link
Bentley

foto: werk