Kofi Annan beklagte die Tragödie in Darfur, und viele Staats- und Regierungschefs starrten verlegen an die Decke. „Die größte Herausforderung kommt von Afrika, von Darfur“, sagte ein sichtlich aufgewühlter UN-Generalsekretär in der UN-Generalversammlung. „Mord, Vergewaltigungen und Brandschatzungen verhöhnen unseren Anspruch, die Menschen vor den schlimmsten Missbräuchen zu schützen.“ Das saß. US-Präsident George W. Bush sprach im UN-Plenum sogar von einem „Völkermord“.

Der Krieg gegen die Zivilisten in Darfur hängt als dunkler Schatten über dem UN-Hauptquartier in New York. Besonders in diesen Tagen, in denen die angereisten Staatsmänner in der Generalversammlung viel von Frieden und Kooperation reden – im konkreten Fall Darfur aber so gut wie nichts tun. Am Freitag haben die USA und Dänemark ein Treffen von Außenministern organisiert; Diplomaten erwarten jedoch von der Tagung keine hoffnungsvollen Nachrichten für die notleidenden Menschen in Darfur.

Regierungstruppen und Milizen haben seit Anfang 2003 mehr als zwei Millionen Menschen verjagt, weit mehr 200.000 Kinder, Frauen und Männer starben durch Gewalt, Hunger und Erschöpfung. Rund drei Millionen Personen sind auf Hilfe angewiesen. „Sexuelle Übergriffe gegen Frauen und Kinder sind weit verbreitet“, sagt die Chefin des Kinderhilfswerks Unicef, Ann Veneman. Ein Friedensabkommen hat die Grausamkeiten nicht stoppen können. Jetzt warnt das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge, dass die Gewalt weiter eskaliert: Die Regierung des Sudans verlege weitere Streitkräfte in die Krisenprovinz. Immerhin will die Afrikanische Union (AU) ihre Friedenstruppe bis Ende des Jahres in der unwirtlichen Region lassen – doch die AU-Einheiten sind schlecht ausgerüstet und schlecht motiviert. „Die sind völlig überfordert“, sagt ein UN-Mitarbeiter.

22.000 Soldaten

Zwar will der UN-Sicherheitsrat eine 22.000 Mann starke UN-Truppe nach Darfur entsenden. Die Blauhelme sollen die AU-Truppe – deren Mandat soeben bis Ende des Jahres verlängert wurde – ablösen und wären die größte UN-Friedensmission. Ihre Aufgabe: Die Zivilbevölkerung vor Gewalt schützen, die humanitäre Hilfe überwachen.

Nur: Sudans Präsident Omar Hassan al-Bashir machte in New York alle Hoffnungen auf die Ankunft der UN-Kontingente zunichte: „Unter allen Umständen lehnen wir einen Übertragung der Aufgaben von der AU-Kräfte auf die UN-Truppen ab“, beschied er kühl. Die Vertreibungen seien „Fiktionen“, erfunden von „jüdischen Organisationen“.

Das Nein des Sudans offenbart die ganze Ohnmacht der Vereinten Nationen. Ohne die Zustimmung Khartums wird kaum ein Land Truppen für eine Blauhelm-Mission abstellen. „Jede Regierung hat Angst, ihre Soldaten zu verlieren“, sagt ein UN-Mitarbeiter.

Selbst der Appell des Staatschefs des mächtigsten UN-Mitgliedes klang da hilflos: „Falls die sudanesische Regierung nicht schnell der Friedenstruppe zustimmt, muss die UN handeln“, mahnte US-Präsident Bush. Aber nur der UN-Sicherheitsrat könnte den Sudan zum Einlenken zwingen. Doch die Vetomacht China hat bereits klar gemacht, dass sie harte Maßnahmen gegen den Sudan blockieren würde. Die boomende Wirtschaft des Reiches der Mitte läuft auch mit Öl aus dem Sudan.

Beim zweiten harten Brocken für die Einigkeit des UNO-Sicherheitsrat, beim Iran, hieß es am Donnerstag, dass die Sechsergruppe aus UNO-Vetomächten und Deutschland Teheran ein neues Ultimatum zum Stopp seiner Uran-Anreicherung bis zur ersten Oktoberwoche stellen wolle. Bis dahin solle der EU-Außenbeauftragte Javier Solana versuchen, in Verhandlungen mit dem Iran doch noch einen Durchbruch zu erzielen.

Die USA haben für Freitag am Rande des UNO-Gipfels in New York ein Außenministertreffen zum Westsudan-Konflikt organisiert, aber die Chancen auf eine Lösung sind gering. Die internationale Gemeinschaft ist hilflos, Khartum lehnt eine UNO-Truppe weiter ab. (Jan Dirk Herbermann aus New York/DER STANDARD, Printausgabe, 22.9.2005)