Foto: anna schnegg-primus

Lofi Bohème: "Provinzkaiser" (Kingfi Records/Hoanz 2006) erhältlich seit 15.9.

Albumcover: Hoanzl
Wien - "Ich habe fünf Berufe, zwei Wohnsitze und lebe unter dem Damoklesschwert zweier noch nicht abgegebener Steuererklärungen," so beschreibt Jens Thiel in seinem Blog "Minusvisionen" den Begriff des "Lofi Bohème". Erfunden hat diesen Christiane Rösinger von den Lassie Singers für jene Menschen, deren Leben aus 50 Prozent unbezahlter künstlerischer, 25 Prozent schlecht bezahlter, aber sozial hoch bewerteter Arbeit und zu 25 Prozent aus einem geheim gehaltenen Brotjob besteht.

Eigenwillig ungeradlinig

Eine "Jobdeskription" mit der sich nicht gerade wenige identifizieren können. Nicht alle machen daraus einen Bandnamen. So aber der Grazer Gregor Schenker, der sein berufliches Leben zwischen "Lieder basteln", für ein gefaltetes Wochenmagazin schreiben und als DJ-on-demand arbeiten, aufteilt. Gemeinsam mit vier Jazzern ist aus seinen 50 unbezahlten Prozent ein Album geworden, das in seiner eigenwilligen Ungeradlinigkeit als experimentell durchgehen kann.

Und so wundert auch nicht, wenn der Bandname Programm ist und die Musiker in "Was soll aus uns werden", einen agressiv-trotzigem Song, fragt:
"wo ist noch platz frei für abschaum wie uns.
was können wir darstellen, das man uns noch abnehmen kann."

Ironie - eintrompetet

Wohl mit ein Grund, wieso Lofi Bohème auf ihrem am 15. September erscheinenden Erstling "Provinzkaiser" (Hoanzl), gleich ganz viel Verschiedenes anbieten. Und nicht alles davon reiht sich rund aneinander. Die Mischung ist aber sehr reizvoll: Den einfachen Reimen mit Hang zum Kitsch trompetet die Musik die angemessene ironische Distanz ein. Bisweilen blitzt sogar etwas Satire auf...

Auch der Jazz-Hintergrund der Musiker (Christian Bakanic, Christian Eitner, Jörg Haberl, Thommy Mauerhofer) ist teilweise durchzuhören. Von dem rührt wohl die Experimentierfreude her, die die Musiker Stile wie Chanson, Pop, Schlager, Liedermachertum der Siebziger und Folk bunt aneinanderreihen und mischen lässt. Auch Sänger Schenker spielt mit seiner Stimme, die er von beiläufig über überdreht bis säuselnd stilisiert einsetzt. Die Geschichten, die hier erzählt werden - von gescheiterten Existenzen, flüchtigem Glück oder versoffenen Nächten - kennt irgendwie jeder. Doch sind es jene, die man immer wieder gerne hört.

Sonnig leicht, bisweilen mit Pathos

"So läuft das Leben am Korkeichhügel" heißt es zum Beispiel lapidar in "Gestrandet", der die Beobachtungen eines Barmanns in Alltagspoesie kleidet. Die perfekte Begleitmusik für die erste Melange an einem sonnigen "Sonnabend" (Samstag). Gute augenzwinkernde Energie verbreitet auch "Wilde Rosen" oder "Woge leicht". Ein bisschen weniger Pathos stünde den Zeilen von "Woroschdin" gut: Wenn man nicht so genau hinhört, tröstet die Musik ein wenig darüber hinweg.

Abgesehen davon macht Lofi Bohème aber Musik zum Hinhören. Ansonsten würden einem Textzeilen wie "tiefsinnig reden und doch small talk plauschen" oder "ich bin müde vom feiern und flüchtiger freundschaft" entgehen. Sinniges, was sich auf einem Message-T-Shirt für die nächste Party gut machen würde. (kafe)