Karin Antlanger in ihrem Lieblingslokal Cafe "Siebenstern" vor einem Wandbild, das ihr selbst "zu martialisch" ist.

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Karin Antlanger ist die Nummer Zwei der KPÖ bei den Nationalratswahlen, hinter Mirko Messner. Der Spitzenkandidat hatte ihr auch angeboten, Nummer eins zu sein, sie musste aus beruflichen Gründen aber ablehnen. Im Interview mit derStandard.at erklärt sie, was Kommunismus für sie heute noch bedeutet und wie sich die KPÖ von anderen Parteien unterscheidet. Die Fragen stellten Rainer Schüller und Gunther Müller.

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derStandard.at: Christoph Chorherr hat im derStandard.at-Interview gemeint, eine Stimme für die KPÖ sei eine "Verschwendung". Sehen Sie das auch so?

Antlanger: Dieses Argument der verlorenen Stimme würde ich eher umdrehen. Ich würde eher sagen, es ist eine verlorene Stimme, wenn man einer anderen Partei als der KPÖ die Stimme gibt, weil man sonst seinem Protest nicht Ausruck verleihen kann.

derStandard.at: Wenn jetzt aber jemand das Ziel hat, die Regierung abzuwählen, dann wäre es aber doch effektiver, die Grünen, SPÖ oder auch FPÖ zu wählen als KPÖ. Nicht?

Antlanger: Die Regierung abzuwählen ist natürlich ein gutes Ziel. Die Frage ist nur, was kommt nachher. Kommt nachher Schwarz-Grün, Rot-Grün oder Schwarz-Rot?

Ich komme aus Oberösterreich und da ist es zu Schwarz-Grün gekommen. Ich kenne einige, die damals Grün gewählt haben und nachher enttäuscht waren, weil sie diese Koalition nicht wollten. Und wie es ausschaut, tendieren die Bundes-Grünen jetzt ebenfalls in Richtung Schwarz, wenn ich mir zum Beispiel die Aussagen von Eva Glawischnig so anhöre.

derStandard.at: Was ist so böse an Schwarz-Grün?

Antlanger: Das Schlimme an Schwarz-Grün ist, dass es sich hier in Oberösterreich um Wählerbetrug handelt. Die Grünen stimmen im Großen und Ganzen bei allem mit, es ist daher kein wirklicher Unterschied zu einer großen Koalition gegeben.

derStandard.at: Sind die Grünen bereits eine neoliberale Partei?

Antlanger: Naja, so weit würde ich nicht gehen. Aber die Grünen haben im Parlament zum Beispiel dem Entwurf der EU-Verfassung zugestimmt, und dieser ist durch und durch neoliberal.

derStandard.at: Einige Forderungen der KPÖ sind ähnlich, wenn nicht gleich mit denen der Grünen. Was ist eigentlich noch kommunistisch an der KPÖ?

Antlanger: Der Grund, warum ich vor dreißig Jahren der KPÖ beigetreten bin, der gilt heute noch genauso. Es geht um Verteilungs-Gerechtigkeit. Dass möglichst alle an Sozialleistungen des Staates umfassend teilhaben können.

Was diese Umverteilung betrifft, unterscheiden wir uns doch sehr von den Grünen. Hier haben die Grünen doch wirtschafts-liberale Vorstellungen. Und die SPÖ hat sich jetzt durch das Wahlbündnis mit den Liberalen auch geoutet.

derStandard.at: Bei den Wahlen tritt auch die Sozialistische Linkspartei an. Warum tritt die "Linke" nicht so wie in Deutschland gemeinsam an?

Antlanger: Tja. Ich sag ja auch immer, wo drei Linke zusammen sind, gibt es vier Parteien. Das ist ein Grundproblem der Linken. Jede Gruppe glaubt, den Marxismus mit dem Löffel gefressen zu haben und marxistischer zu sein als die andere.

In Österreich wird ein gemeinsames Auftreten so lange problematisch sein, so lange man der Illusion nachhängt, dass SPÖ und Grüne eine Wende bringen könnten. Ansätze eines gemeinsamen Auftretens gibt es im Gewerkschaftlichen Linksblock im ÖGB. Hier verläuft die Zusammenarbeit aber auch nicht reibungslos.

derStandard.at: Wie hoch ist das Wahlkampf-Budget der KPÖ?

Antlanger: Maximal 130.000 Euro. Wenn es wirklich so hoch wird, bekommt unser Finanzchef einen Hautausschlag.

derStandard.at: Werden KPÖ-PolitikerInnen eigentlich gecoacht?

Antlanger: (Lacht) Nein, bei uns ist alles handgemacht. Es hat nach dem Auftritt von Mirko Messner in der ORF-Pressestunde - für die KPÖ erstmals seit 26 Jahren - auch Kritik gegeben, aber das müssen wir einfach noch lernen.

Aber eine gewisse Natürlichkeit schadet ja nichts. Wenn ich mir den Westenthaler bei den TV-Duellen anschaue, wie der das offensichtlich alles antrainiert hat, das kotzt doch die Leute nur mehr an.

derStandard.at: Florian Klenk versteht im derStandard.at-Wahlblog nicht, warum KPÖ-Kandidat Kurt Palm der DDR heutzutage immer noch etwas Positives abgewinnt. Was halten Sie von der DDR?

Antlanger: Kurt Palm war länger in der DDR, kennt die Situation also besser als ich. Ich war nur einmal dort. Das Modell ist schief gelaufen, das ist keine Frage. Wir maßen uns ja auch keinen modellhaften Sozialismus an, das hat die KPÖ schließlich lange in die Isolation getrieben.

derStandard.at: Gibt es ein international kommunistisch geführtes Land, das Ihnen zuspricht?

Antlanger: Es ist nicht alles kommunistisch, was sich kommunistisch nennt. Wenn sich Nordkorea kommunistisch nennt, dann bin ich keine Kommunistin. In China verfolgt man mittlerweile einen Turbokapitalismus, von welchem eine kleine Oberschicht profitiert, während die große Masse unter den schwierigsten Bedingungen lebt und arbeitet. Auch das ist für mich nicht kommunistisch.

In war selbst nie in Kuba und habe mir damals Anfang der 90-erJahre im Zuge des Untergangs der Sowjet-Union gedacht, dass auch der Sozialismus in Kuba nur mehr zwei, drei Jahre lang hält. Interessanterweise hat sich das aber gehalten. Und heute gibt es ja auch andere lateinamerikanische Länder, die sozialistisch regiert sind. Ich glaube aber nicht, dass man die Politik Kubas auf irgendein Land in Europa umlegen kann.

derStandard.at: Würden Sie Fidel Castro als "Diktator" bezeichnen?

Antlanger: Nein, ich glaube Fidel Castro hat eine unheimlich historische Bedeutung und ist einer der ganz enorm wichtigen alten Männer, die den Zeitpunkt übersehen haben, dass sie rechtzeitig abtreten.

derStandard.at: Wird sich nach Castro in Kuba etwas verändern?

Antlanger: Es ist die Frage, in welche Richtung. Ich hoffe nicht, dass die USA danach glauben, Kuba wieder als ihren Hinterhof betrachten zu können.

derStandard.at: Wieder zurück nach Österreich. Sie sind auch Gewerkschafterin. Was sind die dringlichsten Punkte für eine Reform des ÖGB?

Antlanger: Ich glaube nicht, dass unter der alten Führung eine Reform möglich ist. Dazu zähle ich auch Präsident Hundstorfer, der ein Garant dafür ist, dass sich nichts ändert. Wesentlich für die Reform ist für mich die Einbeziehung der Mitglieder, damit diese Politik machen können und nicht die Funktionäre. Ein wichtiger Punkt für mich ist auch, dass sich der ÖGB künftig um prekäre Beschäftigungsverhältnisse kümmert.

derStandard.at: Wer sollte statt Hundstorfer an der Spitze sein?

Antlanger: Es gibt in der zweiten Reihe eine ganze Menge an Personen, die diese Position gerne einnehmen würden.

derStandard.at: Ihr Tipp für den Wahlausgang?

Antlanger: Ich glaube, dass die ÖVP zulegen wird. BZÖ wird es nicht ins Parlament schaffen. Ich fürchte, dass auch die FPÖ zulegen wird. Bei SPÖ und Grünen tu ich mir im Moment schwer mit der Einschätzung.

derStandard.at: Wird die KPÖ im Parlament sein?

Antlanger: Mit viel viel Glück, wenn alle Wahlgöttinnen auf unserer Seite sind. Wir wären schon 2002 ins Parlament gekommen, wenn wir ein demokratisches Wahlrecht ohne 4-Prozent-Hürde und ohne Grundmandatserfordernis hätten.

derStandard.at: Welche Koalition wird es geben?

Antlanger: Ich erwarte Schwarz-Grün.