Die bei zwei Außenbordeinsätzen am Montag und Mittwoch vorbereitete Entfaltung der Segel 350 Kilometer über der Erde bildete den Höhepunkt der Mission des Shuttles "Atlantis", das noch bis zum 18. September an der ISS angedockt ist. Und es ging um sehr viel: Ein Gelingen war die Grundvoraussetzung für den geplanten weiteren Ausbau der Station unter anderem mit dem europäischen Weltraumlabor "Columbus" im kommenden Jahr. Die bisherige Stromversorgung würde für den Betrieb dieses neuen Moduls und anderer neuer Teile nämlich bei weitem nicht ausreichen. Mit den Segeln ist das Problem gelöst.
Zitterpartie
"Wenn das Entfalten gelingt, werden wir alle sehr, sehr glücklich sein", hatte denn auch "Atlantis"-Commander Brent Jett vor Beginn des Manövers Donnerstag früh gesagt. Es zog sich dann über mehrere Stunden und wurde tatsächlich für einige Zeit zur Zitterpartie. Bei vorausgegangenen nächtlichen Tests des Drehgelenks der Sonnensegel, das zur Ausrichtung auf die Sonne einwandfrei funktionieren muss, tauchte plötzlich ein Software-Problem auf. Das heißt, Computer-Kommandos von "Mission Control" in Houston blieben unbeantwortet.
Der Fehler konnte dann aber behoben werden, und die Ausbreitung der zuvor wie eine Ziehharmonika zusammengefalteten Segel begann mit etwa zweistündiger Verspätung. "Ein bisschen Drama schadet nicht", witzelte Astronaut Jeff Williams an Bord der ISS - aber erst nach einem Seufzer der Erleichterung. Kyle Herring im Kontrollzentrum kommentierte stolz: "Die Internationale Raumstation beginnt ihre Flügel zu spreizen."
Geschichte
Dabei sah es eher so aus, als würden zwei Jalousien heruntergezogen. Die beiden aus 82 einzelnen "Decken" mit zusammen 65.600 Solarzellen bestehenden Segel hatten ursprünglich bereits im Mai 2003 angebracht werden sollen, mussten dann aber wegen des Stopps aller Transportflüge nach dem "Columbia"-Absturz am 1. Februar des Jahres am Boden bleiben. Somit waren sie seit Jahren zusammengefaltet wie ein Akkordeon in einer Verpackung aufbewahrt worden und mussten nun am Donnerstag behutsam stufenweise gelöst werden. Das geschah in zwei großen Phasen mit einer Pause dazwischen, um der Sonne die Gelegenheit zur Erwärmung der "Decken" zu geben: Dadurch sollte ein Verhaken der einzelnen Teile vermieden werden, wie sie bei der Entfaltung anderer ISS-Sonnensegel vor sechs Jahren passiert war.