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IV-Präsident Veit Sorger (im Bild) und Generalsekretär Markus Beyrer haben den Maßnahmenkatalog anlässlich des Jubiläums "60 Jahre Industriellenvereinigung" präsentiert.

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Wien - Kurz vor der Wahl fordert die Industriellenvereinigung (IV) von einer zukünftigen Bundesregierung eine Reihe steuerlicher und arbeitsrechtlicher Entlastungen. Um als Wirtschaftsstandort attraktiv bleiben zu können, müsse es zu einer Senkung des Spitzensteuersatzes von derzeit 50 auf bis zu 40 Prozent kommen. Außerdem pocht sie vehement auf eine Verlängerung der Arbeitszeiten. Dass die Österreicher lange arbeiten, sei nämlich schlicht "ein Märchen", heißt es. Laut OECD-Daten liege Österreich bei der Jahresarbeitszeit nämlich nur im Schnitt.

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Die Industriellenvereinigung (IV) hat ihre Forderungen an die künftige Bundesregierung gut 2 Wochen vor der Wahl noch einmal präzisiert. Damit Österreich ein attraktiver Wirtschaftsstandort bleibt, wünscht sich die Industrie unter anderem eine Senkung des Spitzensteuersatzes auf 45, besser sogar noch auf 40 Prozent, flexiblere Arbeitszeiten und eine Lockerung des Kündigungsschutzes. IV-Präsident Veit Sorger und Generalsekretär Markus Beyrer haben den Maßnahmenkatalog anlässlich des Jubiläums "60 Jahre Industriellenvereinigung" Donnerstag, präsentiert.

Die Ausgangslage des Industrielandes Österreich sei gut, so Sorger. Zu künftigen Koalitionswünschen wollte sich die IV-Spitze nicht äußern. Man werde aber auch in Zukunft alles unternehmen, um die Position des Standortes abzusichern, so Sorger. Man habe zu allen Parteien eine gute Gesprächsbasis, so Beyrer. Er gehe jedenfalls davon aus, dass sich jede Regierung an Fakten orientieren werde. Wer gegen die Industrie regiere, regiere auch gegen Beschäftigung.

Entlastung

Eines der wichtigsten Themen, um Österreich für die Zukunft fit zu machen, sei eine weitere Steuer- und Abgabenentlastung, so Sorger. Neben der Senkung des Spitzensteuersatzes fordert die Industrie steuerliche Erleichterungen bei Unternehmensübertragungen bzw. die Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Darüber hinaus sollte die Anhebung des Freibetrages für Mitarbeiter-Beteiligungen von derzeit 1.700 auf mindestens 2.500 Euro durchgesetzt werden.

Abgelehnt wird von den Industriellen eine von "manchen angedachte Ökologisierung des Steuersystems". Diese sei für die energieintensiven Unternehmen nicht belastungsneutral, da diese weniger personalintensiv sind. Diese Unternehmen stehen für rund 175.000 Direktbeschäftigte sowie 2,5 Mrd. Euro jährlicher Investitionen. "Die österreichische Volkswirtschaft kann sich eine Abwanderung dieser Betriebe nicht leisten," so die Industrie. Lob kam von der Industrie für die Gruppenbesteuerung, die die SPÖ wieder abschaffen will.

Privatisierungspotenziale

Weitere Privatisierungspotenziale sieht Sorger auf Länder- und Gemeindeebene - zum Beispiel bei EVU, Landeshypos und Flughäfen. Bei den Ladenöffnungszeiten spricht sich die Industrie für eine Aufhebung der derzeit gültigen Tagesrahmenzeiten aus, sodass Flexibilisierung zwischen Sonntag 14 Uhr und Samstag 24 Uhr erreicht werden könne.

Die Flexibilisierung der Arbeitszeit bleibt für die Industrie nach wie vor auf der Tagesordnung, so Beyrer. Österreich brauche die gesetzliche Regelung für die Flexibilisierung der Arbeitszeit nach dem Modell 10-12-60-2. Das bedeute eine Anhebung der täglichen Normalarbeitszeit von 8 auf 10 Stunden und eine mögliche Höchstarbeitszeit von 12 Stunden, eine wöchentliche Höchstarbeitszeit von 60 Stunden und einen Durchrechnungszeitraum von 2 Jahren.

Aufräumen will die IV in diesem Zusammenhang mit dem Mythos, das die Österreicher überdurchschnittlich lange arbeiten. Nach einer OECD-Studie liege Österreich mit 1.488 geleisteten Stunden pro Kopf und Jahr deutlich hinter Italien, Großbritannien, Japan und den USA.

Was Arbeitsrechtler nicht abhält, längere Arbeitszeiten eher zu verwerfen. Auf STANDARD-Anfrage heißt es, "das Arbeitszeitgesetz sei bereits sehr flexibel, oft werde der Spielraum aber in den Kollektivverträgen nicht genützt." Kosten sparen könnte die Wirtschaft auch durch intelligente Teilzeitmodelle. Und Unternehmensberater weisen außerdem darauf hin, dass sich längere Arbeitsschichten negativ auf die Fehlerquote und die Krankenstände auswirke.

Kündigungsschutz

Diskutieren will die IV künftig auch über den Kündigungsschutz. Eine Abschaffung oder Lockerung des Kündigungsschutzes könnte bestimmten Gruppen bessere Chancen auf eine Beschäftigung bieten. Bei der Auflösung von Dienstverhältnissen wünscht sich die IV generelle Kündigungsmöglichkeiten von Lehrverträgen und eine grundsätzliche Erstreckung der Probezeit auf drei Monate.

Kernthema für die Industrie, sei ein wettbewerbsfähiges und politisch geeintes Europa, so Sorger. Dies sei die beste Voraussetzung dafür, dass die europäischen Länder die Globalisierung als Chance zum Nutzen der Bevölkerung wahrnehmen können.

AK: Wie viele Steuergeschenke noch?

"Wie viele Steuergeschenke will die Industrie denn noch?" Mit dieser Frage reagierte Arbeiterkammerdirektor Werner Muhm auf die heutigen Forderungen der Industriellenvereinigung (IV) nach weiteren Entlastungen.

Muhm verwies am Donnerstag in einer Aussendung auf eine aktuelle AK Studie, wonach weder die letzte KöSt-Senkung noch die Gruppenbesteuerung neue Arbeitsplätze in Österreich gebracht hätten. "Es haben sich nicht mehr Betriebe angesiedelt und es sind sogar noch mehr als vor der KöSt-Senkung ins Ausland abgewandert."

Gerade die größten "KöSt Senkungs-Profiteure", nämlich große Industriekonzerne, hätten trotz Steuergeschenken keine Jobs geschaffen, sondern in Gegenteil Arbeitsplätze abgebaut, argumentiert Muhm. Unterm Strich habe die "größte Steuerreform aller Zeiten" viel zu wenig gebracht für Wachstum und Beschäftigung in Österreich. "Jetzt müssen die Arbeitnehmer entlastet werden", verlangt Muhm. Das bringe wirklich neue Arbeitsplätze.(Monika Bachhofer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, red, 15.9.2006)