KommAustria-Chef Michael Ogris

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STANDARD: Muss es nicht stutzig machen, wenn Sie sich vom Chef ihrer Hilfsgesellschaft RTR einen Tag vor der Lizenzvergabe öffentlich attestieren lassen, dass eh alles mit rechten Dingen und ohne Rücksicht auf Interventionen zugegangen ist?

Ogris: Nein, das muss es nicht. Ich habe mir nicht irgendetwas 'attestieren lassen'. Die Tatsache, dass wir den Bescheid mit der Post verschickt haben und demnach erst am Mittwoch und nicht - wie angekündigt - am Dienstag mit einer Presseaussendung die Entscheidung bekannt geben konnten, war eine gute Gelegenheit, die Absender der Grußbotschaften aus den verschiedenen politischen Fraktionen auch gleich daran zu erinnern, dass ich die Entscheidung ausschließlich auf Basis der Auswahlkriterien im Privatradiogesetz treffe.

STANDARD: RTR-Chef Alfred Grinschgl verwies auf Interventionen von Parteien und Personen. Verraten Sie uns doch: Welche Fraktion hat für welchen Sender interveniert?

Ogris: Nein. Das ist auch nicht weiter wichtig – nur soviel: Die Poster auf etat.at würden die Welt nicht mehr verstehen, wenn sie wüssten, wer für und gegen welchen Antragsteller angerufen hat. Und: Die ÖVP hat bei der KommAustria nicht für Sunshine Radio interveniert.

STANDARD: Sunshine hatte starken Rückenwind aus ÖVP und Bundeskanzleramt. Können Sie das so einfach ignorieren?

Ogris: Wie gesagt: Von diesem viel zitierten Rückwind ist nie ein Lüftchen bis zu mir vorgedrungen. Ich kann verstehen, dass Verwandtschaftsverhältnisse, Freundschaften und Unterstützungsemails bei der interessierten Öffentlichkeit gewisse Schlüsse über "Rückwind" nach sich ziehen. Im Privatradiogesetz finde ich jedenfalls keine Maßgaben dafür, dass ich solche Umstände berücksichtigen darf oder muss. Hier zählt einzig und allein der jeweilige Antrag.

STANDARD: Wie lange läuft Ihr Vertrag als Leiter der Medienbehörde noch und wer ist zuständig für seine Verlängerung?

Ogris: Mein Vertrag als Behördenleiter läuft noch bis 31. Dezember 2008; zuständig für die Wiederbestellung ist der Bundeskanzler.

STANDARD: Warum haben Sie die Lizenz 98.3 an Sunshine vergeben? Selbst in der Behörde soll der Antrag als nicht besonders professionell qualifiziert worden sein, hören wir.

Ogris: Interessant, was Sie so alles hören! Die Begründung finden Sie ausführlich im Bescheid, aber auf einen Punkt gebracht: Sunshine bietet einen stärkeren Lokalbezug und einen größeren Beitrag zur Meinungsvielfalt.

STANDARD: Die zum Gutteil fremdfinanzierte Finanzierungsbasis im Sunshine-Antrag war deutlich geringer als jene von Mitbewerbern wie Star oder Lounge FM, bei gleichzeitig mehr Mitarbeitern.

Ogris: Alle von Ihnen genannten Antragsteller konnten die finanziellen Voraussetzungen zum Betrieb dieser Zulassung glaubhaft machen. Die Zulassungsentscheidung fällt aber nicht allein aufgrund der größeren finanziellen Basis, sondern aufgrund der Auswahlkriterien nach § 6 Privatradiogesetz; dazu gehören eben Meinungsvielfalt und Lokalbezug.

STANDARD: Walter Gröbchen von Sunshine-Mitbewerber Lounge FM schließt von Ihrer Einschätzung, das Musikformat von Sunshine sei breiter als jenes seines Senders "auf Ignoranz oder fehlenden Sachverstand der Behörde." Sie teilen seine Einschätzung offenbar nicht, dass schon Energy und FM4 Black Music abdecken. In Linz haben Sie Sender abgelehnt, weil Sie ihr Programm zu nahe an FM4 sahen.

Ogris: Diesen Vorwurf kann ich nicht nachvollziehen: Es war Herr Gröbchen selbst, der bei der mündlichen Verhandlung zu Protokoll geben hat – ich zitiere: "Man kann sagen, der Begriff Black Music, wie er von Sunshine verwendet wird, umschreibe ein großes Musikspektrum, und dass man sagen kann, dass ein Lounge Format ein engerer Begriff ist. Z.B. würden in dem Lounge-Format Nummern mit erhöhter Beat-Rate wie z.B. Clubsound nicht gespielt werden." Zitat Ende. Die Abgrenzung des Formats von Sunshine zu jenem von Energy ist offensichtlich und im Bescheid auch ausführlich dargestellt. Zu Linz: Man kann die jetzige Wien-Entscheidung nicht mit jener für Linz aus dem Jahr 2004 vergleichen – weder von den Antragstellern her, noch betreffend die bereits im Markt befindlichen Programme.

STANDARD: Sie argumentieren mit Verwurzelung in der Wiener Szene für elektronische Musik. Man könnte dagegen halten: An Lounge FM sind zwei Labels beteiligt, an Sunshine eines.

Ogris: Hier geht es weniger um die Anzahl der beteiligten Labels, sondern darum, wie tiefgehend und breit gefächert ein Konzept das Leben im Versorgungsgebiet berücksichtigt. Das ergibt sich auch aus den dem Antrag von Sunshine beigelegten Kooperationsvereinbarungen mit kulturellen Institutionen und Verbänden aus Wien. Es wäre überhaupt falsch, aus der Entscheidung der KommAustria abzuleiten, Lounge FM oder andere Antragsteller, hätten ein 'schlechtes' Konzept abgeliefert. In einigen entscheidenden Bereichen, eben zB der Verwurzelung in der Wiener Musikszene war Sunshine Radio jedoch der Vorzug zu geben.

STANDARD: Was sprach eigentlich gegen ein Inforadio, wie es DER STANDARD, aber auch Mediaprint und News-Gruppe vorgeschlagen hatten? Bei Mediaprint und News-Gruppe stört wohl die Meinungsvielfalt.

Ogris: Grundsätzlich spricht überhaupt nichts gegen ein Informations-Radio in Wien. Im konkreten Verfahren allerdings musste der Antrag des STANDARD– wie im Bescheid nachzulesen ist – bereits wegen der mangelnden Realisierbarkeit des beantragten technischen Konzeptes abgewiesen werden. Bei den anderen beiden abgewiesenen Anträgen für ein Inforadio war die Verbindung zu Printmedien und anderen Radio-Unternehmen ausschlaggebend. (Harald Fidler/DER STANDARD; Printausgabe, 14.9.2006)

Weiter: Stellungnahme von Walter Gröbchen (Lounge FM). Walter Gröbchen vom Mitbewerber Lounge FM teilt in einer Stellungnahme mit, er habe die im Interview erwähnte Aussage am 23. Juni 2006 schriftlich korrigiert und ergänzt. "Der Umstand, dass meine ursprüngliche Aussage ohne Bezugnahme oder Erwähnung der ergänzenden Ausführung nun prominent in den Raum gestellt wird, halte ich für eine klare und unzulässige Verzerrung von Fakten."

Begriff "Lounge"

Gröbchen zur Anmerkung, er habe "sinngemäß behauptet, dass Lounge Music ein engeres Format als Black Music sei": "Im Sinne einer Nischen-Definition, wie sie etwa die Musikwirtschaft verwendet, umfasst 'Lounge' tatsächlich nur ein überschaubares Repertoire-Segment. Die Einschätzung des IFPI-Generalsekretärs Dr. Franz Medwenitsch, dem Repertoirebereich Lounge Music könne 'etwa 2-3 Prozent des Verkaufsmarktes' zugeordnet werden können, halte ich aber definitiv für falsch und irreführend", so Gröbchen. Medwenitsch rechne zwar Teilbereiche wie Jazz, Soundtrack, Dance/Electro und sonstige dem - in offiziellen GfK-Statistiken nicht als eigenes Genre geführten - Begriff "Lounge" zu, tue dies allerdings nicht für weit populärere Stile wie Pop, Klassik, Folklore oder HipHop/Rap.

"Letztlich kann langsame, atmospärische Musik aus jedem Genre im weitesten Sinn dem Überbegriff 'Lounge' (mit Unterkategorien wie Easy Listening, Downbeat, Ambient, Chillout, Headz, Soft Jazz, Smooth Jazz, Bar Jazz, Chill Classic, Adult Pop, TripHop, Soft Rock, Electronica, World usw.) zugeordnet werden - und tut dies in der Praxis auch."

Gröbchen weiter: "Nur wenn man die Erscheinungsvielfalt von Lounge-Musik einer Formatierung und Kategorisierung, wie sie etwa im Tonträgerhandel üblich ist ('file under...'), unterzieht, ist sie also tatsächlich enger zu fassen als etwa der - letztlich genauso schwammige, musikwissenschaftlich unpräzise und nichtssagende - Begriff 'Black Music'. So, und nur so war mein Statement bei der RTR (Vergleich mit dem Sunshine-Musikformat) zu verstehen und zu werten. In der Praxis - vor allem in der Rundfunk-Praxis - ist derlei relativ bedeutungslos, da Musik aus allen Genres herangezogen werden kann und wird, die die Grundbedingungen von 'Lounge' im Sinne eines entspannenden, niedrigtourigen, ruhigen und primär atmosphärisch wirkenden Programmflusses erfüllt."

"Spiegelfechterei"

Abgrenzungs- und Größenvergleiche mit dem Begriff "Black Music" treffen zu wollen, hält Gröbchen für "Spiegelfechterei, Wortklauberei und Beckmesserei". Der Versuch der "Rundfunk-Behörde, in dieser Hinsicht quantitative und in weiterer Folge qualitative Aussagen treffen zu wollen und auf einer solch fragilen Basis Alleinstellungsmerkmale des Bewerbers Sunshine zu konstruieren", sei "höchst befremdlich".